Beliebte Verprobungsmethode des Finanzamts auf dem Prüfstand

Bei einem äußeren Betriebsvergleich anhand der Richtsatzsammlung wird diese grundsätzlich als Schätzungs- sowie Verprobungsmethode anerkannt. Doch nun soll diese Kalkulationsgrundlagen der amtlichen Richtsatzsammlung offengelegt werden. Welche Folgen könnte eine Aberkennung durch den Bundesfinanzhof haben?

02. Mai 2023
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Ist die Buchführung eines Unternehmers nicht ordnungsgemäß, darf das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen. In Zusammenhang mit einer Schätzung wird seitens des Finanzamts häufig die amtliche Richtsatzsammlung mit einbezogen. Diese wird nun von dem höchsten deutschen Finanzgericht in einem laufenden Verfahren in Frage gestellt.

Wann wird die amtliche Richtsatzsammlung eingesetzt?

Werden im Rahmen einer Betriebsprüfung Mängel an der Buchführung festgestellt, ist das Finanzamt unter Umständen berechtigt, Beträge den Umsätzen oder Gewinnen des Steuerpflichtigen hinzuzuschätzen. Zur Ermittlung dieser Beträge stehen dem Finanzamt verschiedene Methoden zur Verfügung. Zur Plausibilisierung von den Schätzungsergebnissen zieht es häufig die amtliche Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen heran. Ist eine Schätzung anhand anderer Unterlagen und Methoden nicht möglich, kann unter Berücksichtigung individueller Umstände des geprüften Betriebes gegebenenfalls sogar auf Basis der amtlichen Richtsatzsammlung die Schätzungshöhe ermittelt werden.

Was ist die amtliche Richtsatzsammlung?

Die amtliche Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen enthält branchenspezifische Richtsätze, die als Basis für die Schätzung von Gewinneinkünften oder Betriebseinnahmen bei Betriebsprüfungen dienen. Die Richtsätze sind in verschiedene Branchen gegliedert und werden regelmäßig aktualisiert, um aktuellen Entwicklungen und Veränderungen in den Branchen Rechnung zu tragen.

Aktuelle Rechtsprechung bei Schätzungs- und Verprobungsmethode

Bislang hat der Bundesfinanzhof (BFH) den äußeren Betriebsvergleich anhand der Richtsatzsammlung als grundsätzlich anerkannte Schätzungs- und Verprobungsmethode angesehen. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist jedoch ebenfalls geklärt, dass Schätzungsgrundlagen von der Finanzbehörde so dargelegt werden müssen, dass ihre Nachprüfung und insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung möglich ist.

Kalkulationsgrundlagen der amtlichen Richtsatzsammlung müssen erläutert werden

In einem laufenden Klageverfahren hat der BFH nun erstmals Zweifel an der Zulässigkeit einer Schätzung anhand der amtlichen Richtsatzsammlung geäußert (Az. X R 19/21). Das Bundesministerium der Finanzen wurde aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und die Kalkulationsgrundlagen der amtlichen Richtsatzsammlung zu erläutern. Der BFH wird dann Stellung zu der Frage nehmen müssen, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Form einer Schätzung anhand der Richtsatzsammlung zulässig ist.

Im Zuge des Beitritts zum Revisionsverfahren soll das Bundesministerium für Finanzen unter anderem folgende Fragen zur Richtsatzsammlung beantworten:

  • Welche Einzeldaten fließen mit welchem Gewicht in die Richtsatzsammlung ein? Wie wird die Repräsentativität der Daten sichergestellt und gibt es Einzeldaten, die von vornherein ausgeschlossen werden?
  • Weshalb bleiben die Einzeldaten von Verlustbetrieben unberücksichtigt, obwohl auch Verlustbetriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz haben?
  • Werden erfolgreiche Einsprüche gegen Änderungsbescheide, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, bei der Ermittlung der Daten für die Richtsatzsammlung berücksichtigt?

Zudem stellen sich die Fragen, wie dem Steuerpflichtigen eine Überprüfung der Daten der Richtsatzsammlung ermöglicht werden kann und ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (zum Beispiel bei Miete oder Personal) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht.

Sollte der BFH im abschließenden Urteil Bedenken gegen die Anwendung der Richtsatzsammlung als Schätzungsmethode haben, wäre dies ein herber Schlag für die Finanzverwaltung. Wir halten Sie über die Entwicklungen auf dem Laufenden.

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