Hanfanbau in Deutschland: Eine kritische Betrachtung

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgelegt, dass Hanf zu Genusszwecken legalisiert werden soll. Dieses Vorhaben löste bereits zahlreiche Diskussionen aus. Wir beleuchten diverse Themenfelder, die eine Cannabislegalisierung beeinflussen würde.

08. April 2022
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Wie im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP festgelegt wurde, soll die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken legalisiert werden. Dieses Vorhaben wird durch verschiedene Institutionen sehr kontrovers diskutiert und zeigt vor allem auf, an welchen Stellschrauben die Bundesregierung bei ihrem Gesetzesentwurf zu drehen hat.

Die Fraktion CDU/CSU hat viele dieser Diskussionspunkte in einem Fragenkatalog an die Ampelkoalition übermittelt. Am 11. Februar 2022 nahm die Bundesregierung zu diesen Fragen Stellung. Doch die Antworten sind zum Teil ernüchternd.

Kommt die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken?

Schaut man sich die offizielle Antwort der Bundesregierung an, wird schnell klar, dass noch ein langer Weg mit viel Klärungsbedarf und Entscheidungen, die die verschiedenen Interessen von Landwirten, Verbraucherschützern, Apothekern, Konsumenten et cetera möglichst vereinen sollten, vor ihr liegt.

Dies äußert sich vor allem dadurch, dass viele Fragen vollständig unbeantwortet blieben und auf die Vorbemerkung verwiesen wurde, die die Ziele und Leitgedanken der Cannabislegalisierung zusammenfasst.

Vorrangiges Ziel ist dabei, den bestmöglichen Gesundheitsschutz der Konsumenten zu gewährleisten sowie den Kinder- und Jugendschutz sicherzustellen. Weiterhin soll eine strenge Kontrolle der Produktqualität erfolgen, um die Verbreitung verunreinigter Substanzen zu verhindern. Diese Leitgedanken gelten sowohl bei Kritikern als auch bei Befürwortern der Legalisierung als selbstverständlich und Grundvoraussetzung, sodass der ständige Verweis auf diese Absichten eine geringe Aussagekraft hat.

Hanfanbau Deutschland: Wie steht es um Anbau, Vertrieb sowie Preisgestaltung?

Einige Fragen der CDU/CSU blieben unbeantwortet, da die Regierung keine bis sehr wenige und unplausible Daten für mögliche Prognosen zum Anbau, Vertrieb und Preisgestaltungen zur Hilfe ziehen kann. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich dazu ein Blick in andere EU-Mitgliedsstaaten lohnt, in denen eine Legalisierung bereits erfolgt ist. Doch auch hier zeigt sich, dass das Vorgehen in beispielsweise den Niederlanden oder Malta nicht als Maßstab für die Bundesregierung angesetzt werden kann.

Gründe sind einerseits sämtlichen Bundesressorts, die in die Gesetzesformulierung mit einbezogen werden müssen und andererseits die lockereren Anbau- und Vertriebsregelungen im Ausland, die für die Qualitätssicherung und den Verbraucherschutz als Leitgedanken zweifelhaft sind.

Risiken und Nebenwirkungen der Legalisierung von Cannabis

Kritiker und Verbraucherschützer verweisen auf die Risiken der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken. Erfahrungen aus anderen Ländern, in der der Konsum bereits erlaubt ist, belegen eine deutliche Zunahme von Cannabis-Konsumstörungen aufgrund fehlender Sorge vor Strafen sowie die Möglichkeit des kostengünstigeren Erwerbs von Cannabinoiden.

Dies führt laut Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) wiederum zu einer Reihe von Folgerisiken, wie mehr Notfall- und Suchtbehandlungen, Verkehrsunfälle, Schulabbrüche, Arbeitsunfähigkeiten sowie psychische Einschränkungen, beispielsweise Aufmerksamkeitsrückgänge, psychomotorische Störungen, geförderte Apathie, Depressionen, Angststörungen und auch gesundheitliche Langzeitfolgen, die sich als Herzstörungen, gehinderte Appetit- und Körpergewichtsregulation sowie Abhängigkeitsentwicklungen äußern.

Skeptisch blickt auch die Apothekerschaft auf die Legalisierung, die als abgebende Institution geeignet wäre. Die ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening stellt hierbei vor allem den heilberuflichen Zielkonflikt in den Fokus, der sich aus den zahlreichen Risiken ergibt. Aus rein pharmazeutischer Sicht sollte die Abgabe von Cannabis sich ausschließlich auf medizinische Zwecke beziehen. Dennoch sei es offensichtlich, dass Apotheken durch die vorhandene Ausstattung von Laboren, Tresoren, Qualitätsmessern sowie die bundesweite Flächendeckung und Beratungskompetenz der erste Anlaufpunkt für die Suche nach geeigneten Vertriebsmöglichkeiten seien. Hohe Gewinne seien laut Overwiening mit dem legalen Genusscannabis jedoch nicht zu erzielen.

Warum sollte Cannabis legalisiert werden?

In Anbetracht der offenen Diskussionsfelder und der Breite an Risiken drängt sich die Frage auf, welche Hauptgründe für die Legalisierung sprechen. Einerseits sind die Minimierung und Eindämmung des Schwarzmarktes sowie die damit verbundene Entlastung der Polizei und Justiz zu benennen.

Andererseits ist durch die legale und fest geregelte Abgabe von Cannabis mehr Kontrolle im Zuge des Verbraucherschutzgesetzes möglich. Vorausgesetzt sind hier jedoch die Schwarzmarkteindämmung sowie die Zusammenarbeit und einheitliche Erfassung der abgebenden Geschäfte.

Ein weiteres großes Argument für die Legalisierung ist der finanzielle Anreiz. Der Wettbewerbsökonom Prof. Dr. Justus Haucap prognostizierte, dass der Anbau und die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken dem Staat jährlich 4,7 Milliarden Euro einbringen werden, durch die Einsparungen der Justiz und im Wesentlichen die erhobenen Steuern auf den Cannabis-Vertrieb. Weiterhin vermutet Haucap dieSchaffung von 27.000 Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit dem Anbau sowie Verkauf. Doch nicht nur der Staat, sondern auch die bundesweiten Landwirte erhoffen sich ein lukratives Zusatzgeschäft und stehen bereits in den Startlöchern, um entsprechende Anbaugenehmigungen beantragen zu können.

Welche Themenblöcke müssten angegangen werden?

Abschließend ist zu sagen, dass die Ampelkoalition für die Voranbringung des Gesetzesentwurfes nun die folgenden drei große Themenblöcke anzugehen hat.

  • Zum ersten müssen die landwirtschaftlichen Möglichkeiten näher evaluiert werden, welches sich auf die Anzahl der Landwirte, die zur Verfügung stehende Anbaufläche, den Flächenertrag sowie die eventuelle Notwendigkeit von Importen bezieht.
  • Zweitens sind die Konsumentwicklungen bei Öffnung des Marktes zu kalkulieren. Damit geht einher, welche Stellen die Berechtigungen zum Anbau, Vertrieb und Vermarktung des Cannabis zu Genusszwecken erhalten und welche relevanten Änderungen sich gegebenenfalls für das Medizinalcannabis ergeben.
  • Zu guter Letzt ist die konkrete Zielverfolgung näher auszugestalten, welches sich schlussendlich um die wichtigsten Aspekte der beschriebenen Sachverhalte handelt: Zuständigkeiten in der Politik, Qualitätssicherung, Anpassungen des Betäubungsmittelgesetzes und die Sicherheitsmaßnahmen beim Anbau und Handel im Sinne des Verbraucherschutzes.

Bis zur Entscheidung, ob und in welcher Form Cannabis legalisiert wird ist es demnach noch ein weiter Weg.

Quellen:

  • Deutsche Apothekerzeitung, 22.11.2021, Nr. 47, S. 4, Geld und Arbeitsplätze: Haucap legt Studie zur Cannabislegalisierung vor
  • Deutscher Bundestag Drucksache 20/653, 20. Wahlperiode, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 20/551 – Hanfanbau in Deutschland
  • PZ Pharmazeutische Zeitung – Die Zeitung der Deutschen Apotheker, 24.02.2022, Nr. 8 (2022), S. 21, Cannabis zu Genusszwecken: AMK gegen Legalisierung, S. 66, Statement der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zur Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken