Warken verkündet Apothekenreform ohne Honorarerhöhung
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) stellte beim Apothekertag in Düsseldorf ihre Reformpläne für die öffentlichen Apotheken vor. Die im Koalitionsvertrag verankerte Honorarerhöhung ist vorerst nicht dabei.

Die Pläne sind in einem Eckpunktepapier auf zwei Seiten zusammengefasst. Ein Referentenentwurf soll im Oktober veröffentlicht werden. Wir haben analysiert, was heute schon bekannt ist.
Apothekenvergütung: Was ist geplant?
In Bezug auf die Apothekenvergütung wurden die folgenden Punkte geplant:
- Der Koalitionsvertrag sieht eine Erhöhung des Apothekenpackungsfixums auf 9,50 Euro vor. Aber aufgrund der derzeit wirtschaftlich massiv angespannten Lage der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) wird dieses Vorhaben zurückgestellt und wird voraussichtlich erst im Frühjahr 2026 neu geprüft werden.
- Als neues Element wird eine turnusmäßige Weiterentwicklung des Honorars über eine Verhandlungslösungdurch die Vertragspartner der Selbstverwaltung (Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband) etabliert. Die Apothekerschaft erhält damit die Möglichkeit ihre Vergütung selbst mitzubestimmen. Der Gesetzgeber gibt dazu rechtlich verbindliche Leitplanken in Form bestimmter Indizes vor.
- Wiedereinführung von handelsüblichen Skonti: Als Reaktion aus das »Skonto-Urteil« des Bundesgerichtshofs (BGH) sollen handelsübliche Skonti auf Rx-Artikel für vorfristige Zahlung künftig wieder ermöglicht werden.
Unsere erste Bewertungder Vorhaben ist, dass die Verschiebung der Honorarerhöhung für massive Kritik und Enttäuschung gesorgt hat. Im Ergebnis hat dies weitere Schließungen ergebnisschwacher Betriebe zur Folge. Die Verhandlungslösung ist als regelhafter, entpolitisierter Anpassungsmechanismus grundsätzlich positiv. Die Wirksamkeit hängt aber sehr stark von den angekündigten gesetzlichen Leitplanken ab. Details und Zeitplan dazu sind aber noch offen – eigentlich kann der Sockel für Verhandlungen nur das erhöhte Fixum von 9,50 Euro sein. Die Wiederermöglichung von Rx-Skonti ist grundsätzlich positiv, abzuwarten bleibt aber die konkrete Ausgestaltung. Mehr Verhandlungsdynamik im Geschäft mit den Lieferanten dürfte die Folge sein. Hier werden insbesondere wirtschafts- und liquiditätsstarke Apotheken Vorteile haben.
Maßnahmen zum Erhalt des flächendeckenden Apothekennetzes
Um das flächendeckende Apothekennetz zu erhalten, sollen drei Maßnahmen umgesetzt werden. Doch sind diese Überlegungen ausreichend?
- Die Vergütung der Nacht- und Notdienste (NNF-Pauschale) wird nahezu verdoppelt. Das Geld dafür wird aus den Abgaben für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) umverteilt.
- Für abgelegene Regionen sollen Anreize für die Gründung von Zweigapotheken gesetzt werden.
- PTA, die sich zweijährig weiterbilden, sollen künftig zeitlich begrenzte Vertretungsbefugnis bekommen.
Unsere erste Bewertung der Vorhaben: Die Verdoppelung der NNF-Pauschale stärkt tatsächlich die ländliche Region. Nach unseren Daten hätte eine Großstadt-Apotheke etwa 5.000 Euro mehr Ertrag durch die Erhöhung der Pauschale, eine Apotheke in kleinen Orten sogar circa 10.000 Euro mehr. Die PTA-Vertretung, die schon unter Karl Lauterbach im Gespräch war, polarisiert. Auf der Haben-Seite stehen wirtschaftliche Vorteile durch geringere Vertretungskosten, mehr Flexibilität und eine Entlastung beim allgegenwärtigem Personalmangel. Viele aber fürchten eine »Apotheke-light« und die Aushöhlung des Apothekerberufes.
Bürokratieentlastung für mehr Effizienz
Bürokratie gehört zur täglichen Arbeit in Apotheken. Hier möchte die Politik Entlastung schaffen.
- Mehr Austauschmöglichkeiten von Arzneimitteln bei Nicht-Verfügbarkeit »in der Apotheke«.
- Keine Nullretaxationen mehr aus formalen Gründen.
- Öffnungszeiten werden freigegeben.
- Labore dürfen in Filialapotheken nur noch an einem Standort vorgehalten werden.
- Vorgaben für den Versand kühlkettenpflichtiger und kühlpflichtiger Arzneimittel.
Unsere erste Bewertung der Vorhaben: Besonders die Abschaffung der Nullretaxationen und die Vorgaben für den Versandhandel zahlen auf Forderungen der Apothekerschaft ein, »gleich lange Spieße« zu den Versendern werden hierdurch aber nicht hergestellt. Vereinfachungen für Filialbetriebe sind unter Effizienzgesichtspunkten ökonomisch sinnvoll, verstärken jedoch die bestehenden Wettbewerbsvorteile größerer Einheiten gegenüber Einzelapotheken.
Zur Rolle der Apotheken und neuen Dienstleistungen
Die Politik will die Apotheken als Heilberuf stärken und ihnen neue Aufgaben übertragen.
- Apotheken sollen stärker in die Prävention von Krankheiten eingebunden werden, genannt sind die Durchführung von einfachen diagnostischen Tests und Impfungen mit »Totimpfstoffen«.
- Die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) sollen ausgebaut werden, ohne dass im Papier konkrete Vorhaben beschrieben sind. Die Vergütung für pDL soll nicht mehr über den Fonds erfolgen, sondern per Abrechnung mit der Krankenkasse.
- Apotheken sollen verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abgeben können, etwa bei »unkomplizierten Erkrankungen« sowie bei Chronikern mit dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation.
Unsere erste Bewertung der Vorhaben: Generell ist eine Erweiterung der Rolle der Apotheken im Gesundheitswesen zu begrüßen. Die genannten Vorhaben sind unserer ersten Einschätzung nach allerdings überwiegend noch sehr unkonkret. Ihre Akzeptanz auf Apothekenseite wird wesentlich davon abhängen, wie der wirtschaftliche Rahmen für diese Leistungen ausfallen wird und ob es gelingt, eine Akzeptanz bei der Ärzteschaft zu erreichen. Das ist aber mit Blick auf die ärztlichen Standesvertretungen noch eine Herausforderung, wie deren spontane scharfe Kritik zum Thema »Abgabe ohne Verordnung« und zu erweiterten Impf- und Testangeboten zeigt.