Digitalisierung – Technische Chancen richtig nutzen
Wo Patienten ihre E-Rezepte einlösen: Entscheidungsfaktoren für Versand- und Vor-Ort-Apotheken
E-Rezepte werden sowohl online als auch bei Vor-Ort-Apotheken eingelöst. Die über 545 Millionen eingelösten E-Rezepte bieten damit einerseits Umsatzchancen für Apotheken, verstärken aber andererseits auch den Wettbewerb mit dem Versandhandel. Was sind die Gründe, warum Patienten ihre E-Rezepte bei Versandapotheken oder bei Lokalapotheken einlösen? Eine Studie des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gibt Antworten.

Online-Apotheken versuchen von der Einführung des E-Rezepts und anderen digitalen Gesundheitslösungen zu profitieren. Um in diesem veränderten Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es entscheidend, die Beweggründe der Patienten für die Wahl zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken zu verstehen. Knapp ein Jahr nach dem Start des E-Rezepts lassen sich nun erste Auswirkungen auf genau diese Fragestellung analysieren. Eine aktuelle Umfrage des BPI und des Analystenteams von LOGE8 liefert wertvolle Einblicke in die Entscheidungsfaktoren der Patienten.
Befragt wurden verschiedene Interessengruppen, darunter Konsumenten, Hersteller von OTC-Produkten und Apotheken. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede in den Wahrnehmungen: Apotheken und Konsumenten bewerten die Gründe für den Kauf bei Versandapotheken teils sehr unterschiedlich!
Grund für Versandapotheke: Komfort über Schnelligkeit
Laut der Studie wählen Konsumenten Versandapotheken vor allem, weil sie so das Haus nicht verlassen müssen. Fast die Hälfte der Befragten nannte diesen Grund, wenn es um das Einlösen des E-Rezepts online ging. Im Vergleich dazu spielt die Möglichkeit, Medikamente in der Vor-Ort-Apotheke sofort mitzunehmen, bei der Kaufentscheidung eine deutlich geringere Rolle. Dies deutet darauf hin, dass der Komfort für Konsumenten wichtiger ist als die schnelle Verfügbarkeit der Medikamente.
Monetäre Anreize wie versandkostenfreie Bestellungen von rezeptfreien Arzneimitteln oder Bonusangebote wurden von 37 Prozent beziehungsweise 24 Prozent der Befragten genannt. Diese Faktoren scheinen insgesamt für den Kauf weniger entscheidend zu sein. Dennoch glauben viele der befragten Apotheken, dass finanzielle Anreize eine zentrale Rolle spielen. Nur 26 Prozent der Apotheken vermuten, dass der Hauptgrund für die Wahl einer Versandapotheke darin liegt, das Haus nicht verlassen zu müssen. Diese Einschätzung weicht damit deutlich von der Wahrnehmung der Konsumenten ab.

Grund für Vor-Ort-Apotheken: Vertrautes Apothekenteam überzeugt
Die Studie beleuchtet auch, warum Kunden ihr E-Rezept in einer Vor-Ort-Apotheke einlösen. Ein entscheidender Faktor ist die Vertrautheit mit dem Apothekenteam, die von einer großen Mehrheit der Konsumenten als Grund genannt wird. Andere Aspekte, wie die Kenntnis der Patienten (26 Prozent) und eine gute Beratung (34 Prozent), werden zwar ebenfalls geschätzt, aber weniger häufig erwähnt.
Interessant ist, dass die Wahrnehmung der Apotheken auch hier von der der Konsumenten abweicht. Apotheken bewerten alle genannten Faktoren – gute Beratung, Patientenkenntnis und schnelle Arzneimittellieferung – als nahezu gleich wichtig. Besonders betonen sie ihre Kompetenz in der Beratung. Diese Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der Apotheken und den Erwartungen der Konsumenten könnte Anlass dazu geben, den Fokus der Vor-Ort-Apotheken stärker auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten.

Kombination mit OTC-Verkauf: Chance für Vor-Ort-Apotheken
Die Frage, ob das Einlösen eines E-Rezepts den Kauf von OTC-Medikamenten begünstigt, spielt eine zentrale Rolle für die strategische Ausrichtung von Apotheken und die Gestaltung des Beratungsgesprächs. Die Umfrage zeigt, dass Konsumenten in Vor-Ort-Apotheken eher bereit sind, zusätzliche Medikamente zu erwerben, als bei einer Bestellung in Versandapotheken.
Interessanterweise schätzen Apotheker die Kaufbereitschaft ihrer Kunden deutlich höher ein. Sie gehen davon aus, dass etwa 70 Prozent der Kunden, die ein E-Rezept einlösen, auch OTC-Produkte kaufen. Demgegenüber geben nur 43 Prozent der befragten Konsumenten an, tatsächlich weitere Medikamente zu erwerben. Noch geringer ist der Anteil der Konsumenten, die bei Versandapotheken im Rahmen eines E-Rezepts auch OTC-Produkte kaufen (37 Prozent). Diese Diskrepanz verdeutlicht, wie wichtig es für Apotheken ist, die Bedürfnisse ihrer Kunden besser zu verstehen und gezielt auf sie einzugehen.
Adam Faßbender, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des BPI, betont: »Rund 77 Prozent des OTC-Geschäfts laufen über die Apotheke vor Ort. Die Apotheke ist unser wichtigster Partner. Umso spannender ist es, dass die Befragung deutliche Unterschiede zwischen den Einschätzungen von Herstellern, Apothekern und Konsumenten zeigt. Es lohnt sich immer, das Gegenüber genauer kennenzulernen.«
Die Studie unterstreicht die Stärke der Vor-Ort-Apotheken: Ihre Beratung kann individuell auf die Situation und die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt werden. Es lohnt sich, die gewonnenen Einblicke zu nutzen, um die Kundenansprache weiter zu optimieren und gezielt auf deren Erwartungen einzugehen.
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