Ratgeber für Notfallvorsorge in der Apotheke

Wie bereitet man seine Apotheke auf einen flächendeckenden Stromausfall richtig vor? Ein Ratgeber für die Notfallvorsorge.

22. Februar 2023
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Seit einigen Monaten liest und hört man immer wieder von drohenden Stromausfällen, von einer notwendigen Notbevorratung in Privathaushalten sowie von drohenden Engpässen in der Versorgung. In einigen Teilen Deutschlands wurde die Bevölkerung sogar temporär zum Stromsparen aufgerufen.

Eines vorab:
Das Risiko eines flächendeckenden Stromausfalls in ganz Deutschland (»Blackout«) wird von den meisten Experten als sehr gering eingeschätzt. Die Wahrscheinlichkeit für räumliche begrenzte und temporäre Abschaltungen sowie Ausfälle (»Brownouts«) liegt etwas höher. Doch worauf sollte man sich vorbereiten und inwieweit kann man die eigene Apotheke auf einen Stromausfall vorbereiten? Experte für Bevölkerungsschutz Micheal Kruhl klärt auf.

Warum ist die Notfallvorsorge relevant?

Die Vorsorge für die angesprochenen und auch andere Notfälle, Krisen oder Katastrophen war und ist in jedem Fall wichtig und sinnvoll. Dies ist in den vergangenen Jahren leider aus dem Bewusstsein vieler Menschen gerückt, hat aber im Kern nie an Relevanz verloren. Die täglichen Arbeitsprozesse sind ohne großen Spielraum getaktet und »optimiert«, dazu kommt, dass Bevorratung sowie Reserven häufig sehr minimalistisch angelegt sind. Wir sind es heute gewohnt, bei einem Problem jemanden anzurufen und Hilfe zu bekommen. Nach einigen Stunden ohne Strom ist mit einem Ausfall von Telefonnetzen und Internet zu rechnen – Hilfe rufen wird dann nur noch bedingt oder nicht mehr möglich sein.

Krisenbewältigung funktioniert immer nur gemeinsam und mit entsprechender Vorbereitung. Das Prinzip Hoffnung – »es wird schon nichts passieren« – ist in der Katastrophenvorsorge und im Krisenmanagement die falsche Strategie.

Die Apotheken übernehmen in solchen Situationen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eine herausragende Rolle. Je länger die Krise andauert, desto relevanter wird der Zugang zu medizinischen Produkten. Neben dem allgemeinen Bedarf gibt es immer auch spezielle Medikamente, welche dringend benötigt werden und nicht selten täglich individuell bereitgestellt werden müssen. Der Ausfall der Medikamentenversorgung durch eine Apotheke für Stunden oder gar Tage kann daher spürbare, teils drastischen Auswirkungen auf die Bevölkerung haben.

Stromausfall in der Apotheke: Welche Auswirkungen hat er?

Eine angemessene Krisenvorbereitung ist für Apotheken deshalb notwendig. »Business-Continuity-, Notfall- sowie Gefahrenabwehrpläne« sind in Produktions- und Dienstleistungsunternehmen in den letzten Monaten ein immer wichtigeres Thema. Kritische Infrastrukturen (KRITIS), denen Apotheken durchaus zugeordnet werden können, sichern mit entsprechenden Notfallplänen ihre Arbeitsfähigkeit und stellen damit die Grundversorgung der Bevölkerung in verschiedenen Bereichen sicher.

Ein Stromausfall, als aktuell sehr präsentes Thema, bringt je nach Dauer und Umfang verschiedene Auswirkungen mit sich, die alle Lebensbereiche treffen. Für Apotheken werden unter anderem die folgenden Punkte relevant sein:

  • Elektrische Türen öffnen und schließen nicht mehr,
  • die Kassensysteme fallen aus,
  • die Kühlung fällt aus,
  • Kommissionierautomaten funktionieren nicht mehr,
  • die Beleuchtung funktioniert nicht mehr,
  • Internet- sowie Telefonausfall mit Auswirkung auf Warenbestellung und Abrechnungssysteme,
  • Wasserver- und Entsorgung ist nicht mehr gegeben sowie
  • Ausfall der Heizung und der Warmwasserbereitung.

Notfallvorsorge: So bereiten Sie Ihre Apotheke gut vor

Für Apotheken ist daher eine Vorbereitung auf diese Situationen wichtig und sinnvoll. Für einen Stromausfall sollten einige einfache Punkte bedacht, geplant, vorbereitet und eingeübt sein. Der Aufwand ist in der Regel überschaubar und sollte unter anderem die folgenden Bereiche betrachten:

Zugang:
Schließen die Türen ihrer Apotheke elektrisch oder manuell? Stellen Sie sicher, dass elektrisch betriebene Türen sowie Schließsysteme auch bei einem Ausfall der Stromversorgung manuell geöffnet und geschlossen beziehungsweise gesichert werden können.

Notstromversorgung und Bedarf:
Prüfen Sie, welche Systeme Sie unbedingt für einen Basisbetrieb der Apotheke benötigen. Es müssen beispielsweise nicht notwendigerweise alle Kassen betrieben werden. Welche Kühlsysteme sind unbedingt notwendig, welche Räume benötigen Beleuchtung, muss ein Server versorgt werden, um die Kasse zu betreiben? Ein Kommissionierautomat kann unter Umständen im Notbetrieb auch geöffnet werden, um die Medikamente direkt zu entnehmen. Einige Hersteller der Automaten geben bereits Hilfestellung, wie auch bei einem Stromausfall auf die Produkte zugegriffen werden kann. Hier lohnt sich vorab eine Kontaktaufnahme.
Anhand der Liste der notwendigen Systeme lässt sich der Bedarf der Notstromversorgung, beispielsweise über einen entsprechenden Inverter (Notstromaggregat) oder eine Batterie, bestimmen. Weiterhin muss geklärt werden, wie die Geräte an die Notstromversorgung angeschlossen werden. Die meisten Apotheken verfügen nicht über die Möglichkeit, den Strom aus einem Aggregat in das Apothekenstromnetz einzuspeisen. In diesem Fall müssen eventuell tragbare Kabeltrommeln genutzt werden.

WICHTIG:
Sprechen Sie für die Umsetzung in jedem Fall mit einem Elektromeister, der Ihnen Auskunft über praktikable Lösungen geben kann und sicherstellt, dass alle bestehenden Anforderungen ordentlich umgesetzt werden.

Personal:
Besprechen Sie mit Ihren Kollegen, wer bei einem Stromausfall von mehreren Stunden zur Arbeit kommen kann. Wer Angehörige zu Hause pflegt und/oder Kinder hat, kann eventuell nur eingeschränkt verfügbar sein, da die Priorität dann oft und verständlicherweise bei der eigenen Familie liegt. Es kann sinnvoll sein, die Mitarbeiter auf eine passende Vorbereitung im privaten Bereich hinzuweisen und gegebenenfalls auf die Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) aufmerksam zu machen.
Für den Notbetrieb einer Apotheke sollten immer mindestens zwei Arbeitnehmer je Schicht vorgesehen sein. Planen Sie dies nach Möglichkeit für den Ernstfall vor.
Da Telefonnetze nach einiger Zeit eventuell nicht mehr funktionieren und Mitarbeiter nicht mehr angerufen werden können, legen Sie gemeinsam Zeiten fest, nach denen die Kollegen eigenständig zur Apotheke kommen. Dies kann zum Beispiel nach circa vier Stunden Stromausfall Sinn ergeben.

Bargeld:
Halten Sie ausreichend Bar- beziehungsweise Wechselgeld vor. Die Kartenzahlung kann bei länger andauernden Stromausfällen nicht mehr verfügbar sein. Ein batteriebetriebener Taschenrechner erleichtert die Arbeit ebenfalls.

Bevorratung:
Für den Betrieb eines Notstromaggregates benötigen Sie den entsprechenden Treibstoff. In der Regel ist dies Benzin, seltener Diesel. Beachten Sie dabei, dass nur begrenzte Mengen davon gelagert werden dürfen und Tankstellen oft nicht funktionieren werden, um schnell an Nachschub zu kommen.
Für Ihre Arbeitnehmer sollten Sie Wasserflaschen und einige haltbare Snacks vorhalten.
Nach einigen Stunden kann auch die Wasserversorgung beeinträchtigt sein. Eine Toilettennutzung dann nur noch bedingt möglich.

Sicherheit:
Prüfen Sie, ob die Verkaufsräume vollständig für den Kundenverkehr geöffnet sein müssen oder ob zum Beispiel ein Notdienstschalter genutzt werden kann, bei dem Kunden außerhalb der Apotheke bleiben? Prüfen Sie auch die verfügbaren Fluchtwege.
Wo kann das Notstromaggregat aufgestellt werden, sodass kein externer Zugriff darauf erfolgen kann? Achten Sie auf den Brandschutz und gegebenenfalls auch auf die Verlegung von Kabeln beziehungsweise Kabeltrommeln. Diese dürfen nicht zur Stolperfalle werden und dürfen Brandschutztüren nicht blockieren. Halten Sie einen Feuerlöscher verfügbar.

Dokumentation:
Halten Sie wichtige Übersichten, Listen und Vorlagen als Ausdrucke in einem Ordner vor. Quittungsblock, Kassenbuch und gegebenenfalls Ausgabelisten sollten analog verfügbar sein.

Praktische Einweisung und Übung:
Wenn Sie die notwendigen Punkte geplant haben, nehmen Sie sich bitte die Zeit, die Planungen mit den Mitarbeitern zu besprechen und praktisch zu testen. Im Ernstfall muss jeder handelnden Person klar sein, was zu tun ist. Das erzeugt Handlungssicherheit und spart wertvolle Zeit.
Erstellen Sie sich dahingehend eine einfache sowie übersichtliche Checkliste zu den wichtigsten Punkten, die in einem Stromausfall umzusetzen sind.

Für eine vollständige Planung sollte immer eine individuelle Betrachtung der speziellen Gegebenheiten erfolgen. Die Erfahrung zeigt, dass pauschale Pläne im Ernstfall oft nicht ausreichend greifen. Es kommt also wie immer auf die Details an. Zu einer vollständigen Notfall- und Krisenplanung gehören natürlich auch andere Themen, die nach einer einfachen Risikoanalyse bedarfsgerecht bestimmt und beschrieben werden sollten.

Individuelle Beratung für die Notfallplanung

Notfall- sowie Krisenplanungen sichern die Handlungsfähigkeit im Ernstfall und reduzieren oder vermeiden Schäden und deren Auswirkungen. Diese Pläne müssen realitätsnah, schnell anwendbar und nicht (ver)theoretisiert sein. 

Autor Michael Kruhl ist seit über zwanzig Jahren im Bevölkerungsschutz aktiv und seit 2007 als Inhaber von KSK – Krisenmanagement, Sicherheitsplanung, Katastrophenschutz unter anderem beratend, planend und schulend für Behörden sowie Unternehmen aller Ebenen und Größen tätig. Die Schwerpunktthemen von KSK liegen dabei auf Notfall- und Gefahrenwehrplanungen, der Ausbildung und dem Üben von Krisenstäben, der Forschung im Bevölkerungsschutz, Stresstests für kritische Infrastrukturen sowie Führungskräftetrainings. Darüber hinaus ist KSK an verschiedenen Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Katastrophenschutzverfahrens beteiligt.