Umsatzsteuerfrei: Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen
Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster sind Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen umsatzsteuerfrei.
Der Sachverhalt, der die Grundlage für das Urteil des Finanzgerichts sowie die Entscheidungsbegründung liefert, wird im Folgenden erläutert.
Der Sachverhalt:
Eine GmbH betrieb eine Seniorenresidenz, bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens. Die Wohnungen befanden sich im Gebäude des Pflegeheims. Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens schloss die GmbH Betreuungsverträge ab, die diverse Leistungen einer (erweiterten) Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines Notrufsystems umfassten. Die Leistungen wurden durch das im Pflegeheim eingesetzte Personal erbracht.
Die GmbH war der Ansicht, dass diese Umsätze teilweise umsatzsteuerfrei seien, soweit die entsprechenden Leistungen eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhingen. Dem folgte das Finanzamt bei den Umsatzsteuerveranlagungen allerdings nicht. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Warum sind Umsätze des betreuten Wohnens umsatzsteuerfrei?
Die gegenüber einzelnen Bewohnern erbrachten Umsätze des betreuten Wohnens sind in dem von der GmbH beantragten Umfang gemäß § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei.
Nach dieser Vorschrift sind die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von …
- juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder
- bestimmten Einrichtungen erbracht werden.
Im Streitfall zählten die Bewohner des betreuten Wohnens zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen im Sinne des § 4 Nr. 16 S. 1 UStG, weil sie an altersbedingten Einschränkungen der Alltagskompetenzen litten. Die im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Leistungen waren auch eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden.
Die GmbH bot den Bewohnern des betreuten Wohnens ein breites Angebot an Leistungen an, die zur ambulanten Pflege gehören und der Altenhilfe im Sinne des § 71 Sozialgesetzbuch (SGB) XII zuzurechnen sind. Hierzu gehörten verschiedene Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege, aber auch die Bereitstellung eines Notrufdienstes und bedarfsweise die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung.
Soweit diese Leistungen auch der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienten, sind diese spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen gerichtet. Denn auch diese Leistungen werden durch das im Pflegeheim eingesetzte und hierfür geschulte Personal erbracht.
Da das Finanzgericht Münster die Leistungen der GmbH bereits nach § 4 Nr. 16 S. 1 UStG als steuerfrei einstufte, brauchte es nicht darüber zu entscheiden, ob die Vorschrift mit dem Unionsrecht unvereinbar ist und die Leistungen der GmbH aus dem betreuten Wohnen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie umsatzsteuerfrei wären.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 25.1.2022, Az. 15 K 3554/18 U, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 227790; FG Münster, PM Nr. 6 vom 1.3.2022