Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Unterlassungsklagen
Ein Leitfaden zur Vermeidung unnötiger Risiken bei wettbewerbsrechtlicher Abmahnung sowie Unterlassungsklagen. Rechtsanwalt Fabian Virkus klärt auf, worauf Sie nach Erhalt solcher Schreiben achten sollten und warum der schnelle Gang zum spezialisierten Anwalt vor teuren Fehlern schützt.

Das deutsche Wettbewerbsrecht spielt für Apotheken eine bedeutende Rolle – oft unterschätzt, aber im Alltag allgegenwärtig. Schon kleinere Verstöße gegen wettbewerbs- oder werberechtliche Vorschriften können Konkurrenten oder Verbände auf den Plan rufen. Diese nutzen die Möglichkeit der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, um vermeintlich unlautere Geschäftspraktiken zu unterbinden. Für Apotheker stellt sich dann die Frage: Wie reagiere ich richtig? Und warum sollte ich nicht vorschnell eine Unterlassungserklärung unterschreiben?
Das Wettbewerbsrecht - ein kurzer Überblick
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt den fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen und verbietet unlautere Geschäftspraktiken. Für Apotheken hat das Wettbewerbsrecht jedoch eine besondere Relevanz: Neben klassischen Werbe- und Vertriebsfragen dient es auch als »Durchsetzungsinstrument« für die Einhaltung zahlreicher apothekenrechtlicher und fachspezifischer Vorschriften.
So können Wettbewerber nicht nur gegen unzulässige Werbung oder unlautere Rabattaktionen vorgehen, sondern auch Verstöße gegen apothekenrechtliche Vorgaben aus dem Apothekengesetz (ApoG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) oder dem Arzneimittelgesetz (AMG) abmahnen. Gleiches gilt für andere berufs- und branchenspezifische Regelwerke wie das Medizinprodukterecht oder das Datenschutzrecht (DSGVO).
Hintergrund ist, dass die Einhaltung dieser Vorschriften häufig auch dem Schutz von Patienten und Verbrauchern dient – ein wettbewerbsrechtlich geschütztes Interesse. Verkauft ein Apotheker beispielsweise Arzneimittel, die er unsachgemäß lagert oder Medizinprodukte ohne vorgeschriebene Hinweise, verschafft er sich damit einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Andere Apotheker können solche Verstöße daher wettbewerbsrechtlich verfolgen.
Gerade deshalb birgt das Wettbewerbsrecht für Apotheker ein hohes Risiko: Schon kleinere oder unbeabsichtigte Verstöße – ob im Bereich Werbung, Datenschutz oder Arzneimittelvertrieb – können zum Ausgangspunkt einer Abmahnung werden.
Die Abmahnung - ein scharfes Schwert
Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist weit mehr als nur ein freundlicher Hinweis unter Kollegen – sie ist ein ernstzunehmendes rechtliches Instrument, das gezielt Druck ausübt. Ihr Ziel ist es, einen Wettbewerbsverstoß außergerichtlich zu bereinigen und eine gerichtliche Auseinandersetzung möglichst zu vermeiden.
Gleichzeitig erfüllt die Abmahnung eine gesetzliche Voraussetzung: Bevor ein Wettbewerber eine Unterlassungsklage oder den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor Gericht einleiten darf, muss er dem Betroffenen Gelegenheit geben, den beanstandeten Verstoß freiwillig abzustellen – und zwar durch die Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung. Ohne vorherige Abmahnung wäre eine Klage in vielen Fällen unzulässig.
Typischerweise enthält eine Abmahnung daher:
- Den konkreten Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens.
- Die Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterlassungserklärung abzugeben.
- Die Forderung, die Kosten der Abmahnung (Anwaltskosten) zu erstatten.
Besonders tückisch ist die meist sehr kurze Frist, die für die Abgabe der Unterlassungserklärung gesetzt wird – häufig nur wenige Tage. Viele Betroffene hoffen dann auf eine Fristverlängerung für die es allerdings keinerlei rechtliche Pflicht gibt und viele Abmahner zeigen sich in dieser Frage wenig entgegenkommend. Wer die gesetzte Frist einfach verstreichen lässt oder am letzten Tag um eine Fristverlängerung bittet, riskiert, dass der Wettbewerber ohne weitere Ankündigung gerichtliche Schritte einleitet – mit erheblichen zusätzlichen Kosten.
Gerade deshalb ist es wichtig, eine Abmahnung ernst zu nehmen, die Fristen im Blick zu behalten und nicht unüberlegt zu handeln. Eine überhastete oder falsche Reaktion kann ebenso teuer werden wie Untätigkeit.
Vorsicht Falle: Warum unüberlegtes Unterschreiben einer Unterlassungserklärung ge-fährlich ist
Wer eine Abmahnung erhält, steht unter erheblichem Zeitdruck. Die Versuchung ist groß, schnell zu unterschreiben, um »die Sache vom Tisch zu haben«. Doch gerade hier lauern die größten rechtlichen Fallstricke.
1. Abmahnungen beruhen nur auf der Sicht des Abmahners
Wichtig zu wissen: Eine Abmahnung ist keine gerichtliche Entscheidung und enthält keine objektive Feststellung eines Rechtsverstoßes. Sie gibt lediglich die subjektive Rechtsauffassung des Abmahners wieder. Ob tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, ist damit keineswegs abschließend geklärt. Viele Abmahnungen gehen von rechtlich zweifelhaften oder zumindest umstrittenen Annahmen aus – oft in der Hoffnung, dass der Abgemahnte sich unter Druck schnell bindet.
2. Unterlassungserklärungen sind häufig überzogen und zu weit gefasst
Die mitgeschickten Entwürfe für Unterlassungserklärungen sind häufig bewusst sehr weitreichend formuliert. Sie erfassen nicht nur das konkret beanstandete Verhalten, sondern auch ähnliche oder sogar erlaubte Handlungen. Im schlimmsten Fall verpflichtet sich der Unterzeichner, auch rechtlich zulässige oder sogar gesetzlich gebotene Verhaltensweisen zu unterlassen – etwa die Erfüllung apothekenrechtlicher Pflichten.
Was könnte das in der Praxis bedeuten? Eine zu weit gefasste Erklärung könnte beispielsweise Werbung oder Informationsmaßnahmen verbieten, die nach Heilmittelwerberecht zulässig oder sogar erforderlich sind. Wer sich hierzu verpflichtet, riskiert künftige Vertragsstrafen, obwohl sein Verhalten eigentlich rechtmäßig wäre.
Beispielhaft sei hier nur das Vorgehen einer Münchener Apotheke gegen Berufskollegen genannt, die OTC über AMAZON vertrieben. Die Apotheke machte datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Nutzung dieses Online-Marktplatzes geltend, verlangte aber von den abgemahnten Apothekern, die Plattform dauerhaft zu verlassen. Diese Unterlassungsaufforderung ging zu weit, wie vor kurzem der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. März 2025) feststellte. Denn die abgemahnten Apotheken dürften AMAZON nur solange nicht für den OTC-Vertrieb nutzen, solange die Kunden vor der Verwendung ihrer Daten durch AMAZON keine Einwilligung erteilen. Die Nutzung von AMAZON an sich war aber vollkommen legitim.
3. Unterlassungserklärungen binden jahrelang – mit hohen Risiken
Einmal abgegeben, wirkt eine Unterlassungserklärung dauerhaft. Bereits ein unbeabsichtigter Verstoß – selbst Jahre später – kann hohe Vertragsstrafen nach sich ziehen. Diese finanziellen Risiken sind oft erheblich höher als die ursprünglichen Abmahnkosten.
4. Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch unterliegt kurzer Verjährung
Weniger bekannt, aber äußerst relevant ist, dass wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bereits nach sechs Monaten verjähren. Die Frist beginnt, sobald der Abmahner von dem beanstandeten Verhalten und der Person des Verletzers Kenntnis hat. Wer dies weiß, kann strategisch prüfen lassen, ob sich ein Vorgehen gegen die Abmahnung lohnt – insbesondere wenn Zweifel an der Aktualität oder der Berechtigung bestehen. Auch hier sei an den aktuellen Fall der Münchener Apotheke erinnert. Denn schon 2017 mahnte deren Inhaber die AMAZON nutzenden Apotheken ab, klagte aber aus Kostengründen nur gegen zwei Inhaber. Hier sind die Unterlassungsansprüche seit Mitte 2018 bereits verjährt; dass die Rechtslage erst im März 2025 durch zwei rechtskräftige Entscheidungen des Bundesgerichshofes geklärt wurde, ist hierbei unerheblich.
Wenn es vor Gericht geht: Einstweilige Verfügung und Unterlassungsklage
Wird auf eine Abmahnung nicht oder nicht ausreichend reagiert, bleibt dem Abmahner der Weg zum Gericht offen. Wird also die Unterlassungserklärung nur in Teilen oder in einer modifizierten Form abgegeben und ist der Abmahner damit nicht einverstanden, gibt es zwei zentrale Verfahrensarten, die Apotheker kennen sollten:
1. Einstweilige Unterlassungsverfügung – das Schnellverfahren
Die einstweilige Verfügung ist ein gerichtliches Eilverfahren, das darauf abzielt, rasch und vorläufig eine Unterlassung anzuordnen. Sie ermöglicht es dem Abmahner, innerhalb kurzer Zeit einen verbindlichen gerichtlichen Titel zu erlangen, der den Wettbewerbsverstoß untersagt.
Voraussetzung ist, dass der Antragsteller dem Gericht glaubhaft macht:
- Dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, und
- dass Eilbedürftigkeit besteht.
Das Gericht entscheidet im Verfügungsverfahren in der Regel ohne mündliche Verhandlung, meist ausschließlich auf Grundlage der eingereichten Schriftsätze. Die Entscheidung fällt häufig innerhalb weniger Tage oder Wochen. Wird die Verfügung erlassen, verpflichtet sie den Antragsgegner sofort zur Unterlassung – Verstöße können mit Ordnungsgeld (bis zu 250.000 Euro) oder Ordnungshaft geahndet werden.
Auch wenn die einstweilige Verfügung formal »nur vorläufig« ist, entfaltet sie sofort verbindliche Wirkung. Apotheker sollten daher bereits im Vorfeld sorgfältig abwägen, ob und wie sie auf eine Abmahnung reagieren – um nicht in ein solches Eilverfahren zu geraten.
2. Die Unterlassungsklage – das Hauptsacheverfahren
Neben oder anstelle eines Eilverfahrens kann der Abmahner eine Unterlassungsklage im regulären Klageverfahren erheben. Ziel ist es, eine endgültige gerichtliche Entscheidung darüber zu erlangen, ob der beanstandete Wettbewerbsverstoß tatsächlich dauerhaft zu unterlassen ist. Im Gegensatz zur einstweiligen Verfügung handelt es sich beim Hauptsacheverfahren um ein vollumfängliches Verfahren, das in der Regel mehrere Instanzen durchlaufen kann.
Nach Einreichung der Klage findet zunächst ein schriftlicher Austausch der Argumente statt. Im Anschluss setzt das Gericht in der Regel eine mündliche Verhandlung an, bei der beide Seiten ihre Standpunkte darlegen können. Am Ende entscheidet das Gericht durch ein Urteil, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Dieses Urteil ist - wenn kein Rechtsmittel eingelegt wird - verbindlich und kann vollstreckt werden.
Die Dauer eines solchen Hauptsacheverfahrens lässt sich nur schwer abschätzen. Je nach Umfang des Streitstoffs, Arbeitsbelastung des Gerichts und möglichen Rechtsmittelverfahren kann sich der Rechtsstreit über Monate oder sogar Jahre ziehen.
Handlungsempfehlung vom Rechtsexperten
Apotheker sollten Abmahnungen keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen – aber ebenso wenig in Panik geraten. Die wichtigsten Grundsätze lauten:
- Ruhe bewahren,
- Fristen beachten und
- keine Unterschrift ohne rechtliche Prüfung leisten.
Der frühzeitige Gang zum spezialisierten Anwalt schützt vor teuren Fehlern und verschafft die notwendige rechtliche Klarheit. Damit bleibt der Fokus dort, wo er hingehört: auf einer sicheren und rechtskonformen Führung der Apotheke. Sie haben Fragen oder benötigen rechtlichen Beistand? Kontaktieren Sie gerne unsere Rechtsanwälte der Treuhand Hannover GmbH Rechtsanwaltsgeselltschaft.
Verweis: § 12 Abs. 1 UWG Dringlichkeit im Interesse des Antragstellers; Urteil vom 27.März 2025, Az. I ZR 222/19