Wie ist das eigentlich mit dem Kündigungsschutz?
Welche Kündigungsfristen gelten wann? Unter welchen Bedingungen kann ein Mitarbeiter entlassen werden und wann gilt ein besonderer Kündigungsschutz? Daniel Roth, Rechtsanwalt bei der Treuhand Hannover GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, klärt auf

Das arbeitsrechtliche Thema Nr. 1 ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Jeder von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmende kann innerhalb von drei Wochen gegen die ausgesprochene Kündigung vorgehen. Dies führt dazu, dass jährlich weit mehr als 200.000 Kündigungsschutzverfahren bei den Arbeitsgerichten eingehen. Daher sollten sich Arbeitgeber regelmäßig mit den dahingehenden Voraussetzungen befassen. Dies ist insbesondere deshalb zu empfehlen, da die Mehrzahl der Urteile im Kündigungsschutzverfahren erfolgreich für die Arbeitnehmer ausgehen, obgleich die überwiegende Mehrheit der Verfahren immer noch mit Vergleichsabschluss endet. Wir nehmen dies daher zum Anlass, Ihnen hier einen kurzen Überblick zu diesem Themenbereich zu geben.
Gilt ein Kündigungsschutz in allen Betrieben?
Ein »bedingter Kündigungsschutz« gilt zunächst in allen Betrieben, also auch in Klein- und Kleinstbetrieben. Insbesondere sind per Gesetz Auszubildende, Betriebsratsmitglieder, schwerbehinderte sowie schwangere Mitarbeiterinnen und sich in Mutterschutz sowie Elternzeit befindende Mitarbeitende besonders geschützt. So können schwerbehinderte Mitarbeiter nur mit vorheriger Zustimmung der Integrationsämter gekündigt werden, Schwangere, sich in Mutterschutz und Elternzeit befindliche Mitarbeitende in der Regel nicht beziehungsweise nur in Ausnahmefällen. Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit zudem weitere Fälle gebildet, in welchen die Arbeitnehmer besonders geschützt sein sollen. So wird im Allgemeinen verlangt, dass auch in Kleinbetrieben bei Ausspruch einer Kündigung ein »Mindestmaß« an sozialer Rücksichtnahme einzuhalten ist, reine Willkürakte sollen unzulässig sein und der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz muss eingehalten werden. Auch eine Vergeltungskündigung ist beispielsweise unzulässig. Um so eine handelt es sich, wenn eine Kündigung ausschließlich aus Gründen erfolgt, weil Arbeitnehmer berechtigte Forderungen wie Gehaltsnachforderung oder die Beanspruchung von noch bestehenden Urlaubstagen geltend machen, aber auch dann, wenn Mitarbeiter tatsächlich vorliegende Missstände im Betrieb aufzeigen. Rechtmäßige Verhaltensweisen von Arbeitnehmern sollen mithin nicht durch nachteilige Maßnahmen von Arbeitgebern, insbesondere nicht durch Kündigungen, abgestraft werden können. Die vorgenannten Grundsätze gelten in sämtlichen Betrieben, unabhängig von Größe und Branche.
Für alle Betriebe sind zudem mindestens die gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten. Diese betragen beispielsweise bei einer Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren immerhin schon 2 Monate und bei über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit bereits 7 Monate zum Ende des Kalendermonats. Doch Achtung, durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen können noch längere Fristen Anwendung finden.
Soweit die vorgenannten Bedingungen beachtet werden, gibt es in Kleinbetrieben keine weiteren Einschränkungen für den Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber, insbesondere spielen hierbei die konkreten Kündigungsgründe keine besondere Rolle. Anders ist dies jedoch, wenn die Betriebsgröße eine gewisse Schwelle überschreitet.
Die Anwendung des Kündigungsschutzgesetztes
Für alle Betriebe, welche regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigen, gilt grundsätzlich das Kündigungsschutzgesetz. Hierbei erfolgt die Berechnung allerdings nicht nach »Köpfen«, vielmehr gibt es eine bestimmte vorgegebene Berechnungsmethode für die Feststellung der Anzahl der Arbeitnehmer. Dies kann im Einzelfall und bei Beschäftigung vieler Teilzeitkräfte durchaus dazu führen, dass Arbeitgebermit beispielsweise 13 Mitarbeitern noch nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Bei der Feststellung der Anzahl sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer zu berücksichtigen, mithin auch mitarbeitende Ehepartner, erkrankte Arbeitnehmer, Arbeitnehmende in Mutterschutz/ Elternzeit sowie geringfügig Beschäftigte. Nicht zu berücksichtigen sind die Inhaber, echte freie Mitarbeiter, echte Vertretungskräfte sowie Auszubildende und Praktikanten. Zudem gilt der Schutz ausschließlich für Mitarbeitende, welche schon länger als 6 Monate im Unternehmen beschäftigt sind. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Kündigung nur noch unter erheblich einschränkenden Möglichkeiten denkbar, da jede Kündigung gemäß der gesetzlichen Definition »sozial gerechtfertigt« sein muss.
Wann ist eine Kündigung »sozial gerechtfertigt«?
Eine solche Kündigung ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die Kündigung entweder auf personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen beruht. Entgegen den Voraussetzungen im Kleinbetrieb, müssen hier folglich entsprechende Kündigungsgründe vorliegen.
Ein personenbedingter Kündigungsgrund zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer gekündigt werden soll, weil er seine Arbeitsleistung nicht mehr oder nicht vollständig erbringen kann. Der in der Arbeitspraxis häufigste Fall ist die Kündigung aufgrund einer gesundheitsbedingten Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen zukünftig zu erfüllen. Da die diesbezüglichen Hürden in der Praxis sehr hoch sind, ist die praktische Relevanz allerdings eher von untergeordneter Bedeutung.
Häufiger liegen die Gründe für eine Kündigung hingegen in den »verhaltensbedingten Gründen« (bei Pflichtverstößen durch Arbeitnehmer). Aber auch hier gilt: Ohne vorherige – gegebenenfalls sogar mehrfache – Abmahnung ist eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel unzulässig und damit unwirksam. Ausnahmen bestätigen auch hierbei bekanntlich die Regel.
In der Praxis von erheblicher Relevanz ist dagegen das Vorliegen eines betriebsbedingten Grundes. Der Umgang hiermit ist zunächst einfacher, da lediglich der Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes vorliegen muss. In der Konsequenz gibt es aber auch im Rahmen dieses Kündigungsgrundes erhebliche Hürden, welche zu überwinden sind. Zunächst muss nämlich ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegen, welches einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegensteht, der Arbeitsplatz muss mithin tatsächlich weggefallen sein. Zudem ist immer eine Verhältnismäßigkeitsabwägung vorzunehmen: Gibt es gegebenenfalls einen alternativen Arbeitsplatz? Ginge zumindest übergangsweise Kurzarbeit? All dies haben die Arbeitgebenden vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zu prüfen. Und nicht nur das. Schließlich erhebt sich nach erfolgreicher Prüfung die größte Hürde, die Sozialauswahl. Hierbei sind die Arbeitnehmenden grob gesagt in Vergleichsgruppen einzuteilen und die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine eventuell vorliegende Schwerbehinderung im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu berücksichtigen.
Was bedeutet das in der Praxis? Den Arbeitgebern wird hierbei durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar ein gewisser Wertungsspielraum zugestanden, allerdings muss die Auswahl am Ende immer sozial vertretbar sein und kann auf Antrag durch die Arbeitsgerichte überprüft werden. In der Praxis hat sich daher hauptsächlich auch aus Gründen der Objektivität und Nachvollziehbarkeit ein »Punktemodell« durchgesetzt. Dabei handelt es sich um ein durchaus komplexes Thema, weshalb es im folgenden Beispiel stark vereinfacht erläutert wird. Beim angesprochenen Modell werden jeweils ein oder mehrere Punkte für die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltsverpflichtungen sowie eine vorliegende Schwerbehinderung vergeben. Arbeitnehmer, welchen so eine höhere Punkteanzahl zugewiesen wird, sind grundsätzlich schutzbedürftiger als Arbeitnehmer mit geringerer Punkteanzahl, welche sodann vorrangig zu kündigen wären. Die verpflichtend vorzunehmende Sozialauswahl kann daher im misslichsten Fall dazu führen, dass die Arbeitgebenden gerade nicht den ihrerseits gewünschten Mitarbeiter kündigen können, sondern vielmehr einen Arbeitnehmer, welcher ihnen mehr »am Herzen« liegt. Da das Gesetz allerdings auch die Möglichkeit eröffnet, Arbeitnehmer wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs aus der Sozialauswahl herauszunehmen, bietet sich in solchen Fällen daher eine vorhergehende und eingehende Prüfung der Gesamtumstände an, auch Alternativen sollten geprüft werden, etwa die Möglichkeit eine einvernehmliche Beendigung anzustreben oder andere Wege zu gehen. Letztlich erscheinen die durch die Gesetzgebenden und die Rechtsprechung aufgestellten Schutzmechanismen nicht immer überwindbar und oft auch als ungerecht. Umso wichtiger ist daher, eine vorgelagerte, umfassende Beratung sowie eine gute Vorbereitung.
Ein kurzer Ausblick: Kündigung bei oder nach Betriebsübergang
In der Praxis wird uns im Rahmen der Begleitung eines Unternehmenserwerbs von den Mandanten oft die Vorstellung angetragen, einem Arbeitnehmer könne für ein Jahr nach dem Übergang des Unternehmens nicht gekündigt werden, folglich eine Art Kündigungssperre existieren würde. Dies ist jedoch grundsätzlich nicht richtig. Die sich aus dem Gesetz ergebende Jahresfrist bezieht sich lediglich auf für die Mitarbeiter nachteilige Änderungen des Arbeitsvertrages und nur, soweit zuvor eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag anwendbar war und diese Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag beim neuen Arbeitgeber keine Anwendung mehr findet.
Somit ist gesetzlich nicht verboten, dass Kündigungen gegenüber übergegangenen Mitarbeitern ausgesprochen werden, zumindest dann nicht, wenn der Grund der Kündigung nicht »wegen des Betriebsübergangs« erfolgt. Für eventuelle Kündigungssituationen gelten mithin auch hier und zu jeder Zeit die vorstehend dargestellten Bedingungen.
Verweis: Vergeltungskündigung § 612a BGB; gesetzliche Kündigungsfristen gem. § 622 BGB; Berechnungsmethode für Kündigungsschutzgesetz § 23 KSchG; nachteilige Änderungen des Arbeitsvertrags, § 613a BGB