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BGH-Urteil zu Rx-Boni verunsichert die Apotheken
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat frühere Rx-Boni ausländischer Versender für zulässig erklärt. Das Urteil bezog sich allerdings auf eine alte Rechtslage, die seit 2020 neu gefasst wurde. Dennoch weiten Arzneimittelversender jetzt ihre Kundenboni aus. Wie die Situation einzuordnen ist, lesen Sie hier.

Im Verfahren vor dem BGH ging es um Rx-Boni, die eine DocMorris-Tochter 2012 gewährt hatte. Nach dem BGH-Urteil vom 17. Juli 2025 haben diese Boni zwar gegen die damals im Arzneimittelgesetz geltende Rx-Preisbindung verstoßen, die gesetzlichen Bestimmungen seien aber für eine Versandapotheke aus dem EU-Ausland nicht anwendbar, weil sie gegen die EU-rechtlich garantierte Warenverkehrsfreiheit verstießen. Damit vollzieht der BGH eine vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 vertretene Auffassung nach. Für eine mögliche Rechtfertigung einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch die Preisbindung fehlten nach Ansicht des BGH konkrete Daten und Beweise, dass ohne die Arzneimittelpreisbindung, das heißt mit der Gewährung von Rx-Boni, »die Aufrechterhaltung einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung und deshalb die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sei«.
Nicht befasst haben sich die Richter am BGH mit einer Neuregelung, mit welcher der deutsche Gesetzgeber ein Rx-Boni-Verbot Ende 2020 im Sozialgesetzbuch V (SGB V) neugefasst hat.
Eigentlich ändert das Urteil nichts an der Rechtslage. Boni beim Kauf von Rx-Ware sind nach »alter« Rechtsprechung des EuGH für ausländische (Versand-)Apotheken zulässig, für deutsche hingegen nicht. Ob dies auch für die »neue« Rechtslage im SGB V gilt, werden neue Verfahren zeigen müssen. Das Bundesgesundheitsministerium stellt jedenfalls mit Bezug auf die Neuregelung im SGB V klar: »Nach aktueller Rechtslage gilt aber die Arzneimittelpreisbindung und das Boni- und Rabattverbot bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der GKV für alle Anbieter (§ 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V).«
Warum sind die Apotheken dennoch verunsichert?
Zum einen sehen sich die Versandapotheken durch das Urteil als Gewinner und agieren. So hat DocMorris kurz nach dem Urteil sein Bonusprogramm ausgeweitet und bietet bis zu 15 Euro Bonus pro Medikament. Bei den Apotheken ist daher die Befürchtung groß, auf diesem Weg Marktanteile im Rx-Geschäft zu verlieren. Die Versender setzen allem Anschein darauf, dass sich die BGH-Entscheidung auch auf die SGB V-Regelung anwenden lässt und somit die Boni-Gewährung legal ist.
Zum anderen herrscht Verunsicherung, weil das Urteil und die Rx-Boni die Arzneimittelpreisbindung und Gleichpreisigkeit in Frage stellen. Falsch ist die Annahme, dass das Urteil ein Ende der Preisbindung markiere. Allerdings bedeutet es ein Aufweichen, stärkt die Position der Versandapotheken und hinterlässt Unsicherheit bezüglich der aktuellen Rechtslage.
Was können Apotheken tun?
Boni auf Rx können Vor-Ort-Apotheken nicht geben. Daher ist es wichtig, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und diese dem Kunden gegenüber zu verdeutlichen:
- Kunden bekommen ihr Arzneimittel in der Regel sofort oder am gleichen Tag zusammen mit einer individuellen Beratung.
- Bei Lieferengpässen oder Rezeptunklarheiten kümmert sich die Vor-Ort-Apotheke – gegebenenfalls in Rücksprache mit dem Arzt – um eine schnelle, therapiegerechte Lösung für den Kunden.
- Die Vor-Ort-Apotheken liefern auch Betäubungsmittel und Kühlware; außerdem fertigen sie individuelle Rezepturen an.
- Im Gegensatz zum Versandhandel sind die deutschen Apotheken auch nachts, am Wochenende und an Feiertagen im Notdienst erreichbar.
- Viele Kunden sind in der Apotheke bekannt und werden persönlich betreut.
Wichtig sind außerdem reibungslose Prozesse in der Apotheke, beispielsweise hinsichtlich Verfügbarkeit, Einlösung von E-Rezepten oder Web-/App-Bestellungen.
Letztendlich ist das Rx-Geschäft die entscheidende Basis für die Wirtschaftlichkeit, doch die derzeitige Situation aus politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht unbefriedigend. Von daher ist es elementar, sich auf politischer Ebene für einen Erhalt der Gleichpreisigkeit und eine Stärkung der Vor-Ort-Apotheken einzusetzen. ABDA-Präsident Thomas Preis sagte dazu am 17. Juli 2025 in einer Pressemitteilung: »Sollte die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Zweifel gezogen werden, wäre die Politik gefordert, schnellstmöglich Lösungen mit uns zu erarbeiten.«
- Dr. Sebastian Schwintek
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
GeneralbevollmächtigterTelefon: 0511 83390 -232Fax: 0511 83390 -340