Rechtsberatung – Immer auf der sicheren Seite

Kündigungsschutz – Wenn Apotheken verschiedener Inhaber als Einheit gesehen werden

Die Treuhand Hannover GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft (RAG) steht den Mandanten der Treuhand Hannover jederzeit mit kompetenter Rechtsberatung zur Verfügung. In einem aktuellen Fall vertrat sie eine Apothekerin in einem Kündigungsschutzprozess gegen eine pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA). Rechtsanwalt Fabian Virkus erläutert, worum es bei in diesem Rechtsstreit ging und warum das Urteil von grundsätzlicher Bedeutung ist.

10. Juni 2024
alt text

Apotheken arbeiten – auch als selbstständige, eingetragene Kaufleute – in unterschiedlichen Konstellationen zusammen. Einige werben zusammen, andere helfen sich bei Lieferengpässen aus und Einzelne überlassen einander im Notfall sogar Mitarbeiter. In besonderen Fällen kann dies dazu führen, dass sie beim Kündigungsschutz als Einheit gelten.

Hintergrund des Streitfalls

Unsere Mandantin und ihr Ehemann betrieben zum Zeitpunkt der Kündigung jeweils eigene Apotheken. In der Apotheke unserer Mandantin waren einschließlich der klagenden PKA sieben, in der Apotheke des Ehemannes acht Arbeitnehmer beschäftigt. Da unsere Mandantin beabsichtigte, ihre Apotheke zu veräußern, und weil gleichzeitig Umsatz und Gewinn in der letzten Zeit zurückgegangen waren, kündigte sie der PKA. 

Gegen diese Kündigung wehrte sich die PKA zunächst vor dem Arbeitsgericht Halle und – nachdem die Klage dort in erster Instanz abgewiesen worden war – weiter vor dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt. Sie machte geltend, die Kündigung sei wegen der beabsichtigten Veräußerung unwirksam, da die Kündigung wegen eines Betriebsüberganges an sich unzulässig sei.

Gleichzeitig machte sie geltend, dass sie unter den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) falle und die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Es sei unerheblich, dass in der Apotheke unserer Mandantin mit ihr nur sieben Mitarbeiter beschäftigt seien, da auf Grund der Kooperation der Apotheke unserer Mandantin mit der Apotheke ihres Ehemannes sei von einem Gemeinschaftsbetrieb im arbeitsrechtlichen Sinne auszugehen sei. In diesem Zusammenhang machte sie insbesondere geltend, dass

  • die Preise und Arbeitsabläufe zwischen beiden Apotheken abgesprochen werden würden,
  • Arbeitsanweisungen von unserer Mandantin und deren Ehemann ausgesprochen werden würden,
  • eine gemeinsame Software genutzt und ein gegenseitiger Zugriff auf alle Daten bestünde,
  • beide Apotheken Materialien gemeinsam einkaufen und auch Botendienste füreinander ausführen würden,
  • Personal in einzelnen Fällen auch in der jeweils anderen Apotheke eingesetzt worden wäre.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 08. April 2024, Az. 7 Sa 262/23

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat die Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen, die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

In seiner Urteilsbegründung führte es aus, dass die Kündigung nicht am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen sei, da die vom Gesetz vorausgesetzte Betriebsgröße nicht erreicht sei. Selbst wenn man den Vortrag der PKA zur Zusammenarbeit unserer Mandantin mit ihrem Ehemann als wahr unterstelle, liege noch kein Gemeinschaftsbetrieb im arbeitsrechtlichen Sinne vor. Ein solcher gemeinsamer Betrieb wäre nur dann anzunehmen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen Betriebsmittel zu einem einheitlichen technischen Zweck zusammengefasst, geordnet und zielgerichtet eingesetzt und die Mitarbeiter beider Unternehmer von einem einheitlichen Leitungsapparat geführt würden. Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktion von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt werde, sei vor allem ein praktizierter arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz entscheidend. Einen solchen habe die PKA aber nicht beschrieben; vielmehr hätte diese lediglich eine unternehmerische Zusammenarbeit zwischen Eheleuten geschildert.

Die Behauptung, die Kündigung verstoße gegen das Kündigungsverbot im Zusammenhang mit einem (geplanten) Betriebsübergang, hatte das Arbeitsgericht Halle bereits zurückgewiesen und dabei auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut verwiesen, wonach Kündigungen aus anderen Gründen selbstverständlich auch bei einem Betriebsübergang zulässig bleiben. Zu diesen anderen Gründen gehörten – so das Arbeitsgericht Halle – auch Anpassungen der Personalstruktur zur Steigerung der Verkaufsfähigkeit der Apotheke. Dieser zutreffenden Begründung – so führte nun das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt in einem Nebensatz aus – ist nichts hinzuzufügen.

Was bedeutet unser Erfolg für die Praxis?

Die Entscheidung ist in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zunächst deshalb von Bedeutung, weil für den Normalfall der unternehmerischen Zusammenarbeit von Apothekeninhabern – sei es zwischen Eheleuten, sei es in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder in einer Kooperation – entschieden wurde, dass weder der gemeinsame Einkauf noch die Durchführung von Botendiensten oder die vorübergehende Überlassung von Mitarbeitern dazu führen, dass die kooperierenden Apotheken als Gemeinschaftsbetrieb anzusehen sind.

Apothekeninhaber können sich damit vorübergehend Personal überlassen, ohne auf die folgenden, arbeitsrechtlichen Vorteile zu verzichten:

  • rechtliche Trennung (jeder Apothekeninhaber bleibt alleiniger Arbeitgeber seiner Mitarbeiter; die Anwendbarkeit des KSchG richtet sich ausschließlich nach seiner eigenen Betriebsgröße),
  • Unabhängigkeit in der Personalführung und damit Kontrolle über die Mitarbeiter in den Aspekten der Einstellung, Gehaltsstruktur und der Arbeitsbedingungen,
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit durch den inhaberübergreifenden Personaleinsatz,
  • bessere Schaffung und Nutzung von Fachwissen bei den Mitarbeitern, die in unterschiedlichen Teams lernen und arbeiten,
  • Schaffung von apothekenübergreifenden Synergien und
  • Erhalt der eigenen Wettbewerbsfähigkeit durch vorübergehende Überlassung von Mitarbeitern bei Personalengpässen.

Erfolgt allerdings die Überlassung von Personal nicht nur gelegentlich, also im Not- und Ausnahmefall, sondern regelmäßig und planvoll, liegt ein arbeitgeberübergreifender Gesamtbetrieb im arbeitsrechtlichen Sinne vor.

Darüber hinaus wurde erneut der immer wieder verbreitete Mythos widerlegt, dass Mitarbeiter während oder nach einer Apothekenübertragung nicht gekündigt werden dürfen. Selbstverständlich bleiben Kündigungen zulässig, wenn sie gerade nicht im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehen, also insbesondere aus verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen (Fehlverhalten, Aufgabe von Geschäftsbereichen). Insbesondere bleibt es zulässig, Personal abzubauen, um die Apotheke damit überhaupt verkaufsfähig zu machen.

Sie benötigen ebenfalls rechtliche Unterstützung in einem Streitfall? Melden Sie sich gerne bei der Treuhand Hannover GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft.