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Verfassungsmäßigkeit der Begünstigung von Betriebsvermögen bei Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem Prüfstand

Ist die umfassende Begünstigung von Betriebsvermögen im Vergleich zu Privatvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer verfassungsgemäß? Zu dieser Frage ist derzeit ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Viele Unternehmer befürchten, dass sie bald nicht mehr von den weitreichenden Begünstigungen für Betriebsvermögen profitieren können. Doch ist diese Sorge berechtigt?

17. Dezember 2025
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Nach den geltenden Regelungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz können Betriebe sowie Unternehmen  bis zu einem Wert von 26 Millionen Euro unter Umständen vollständig erbschaft- und schenkungsteuerfrei übergeben werden. Zumindest unter Beachtung von Behaltensfristen und der »Lohnsummenklausel«. Für Privatvermögen, wie zum Beispiel Immobilien oder Kapitalvermögen, stehen lediglich bestimmte persönliche Freibeträge zur Verfügung. So beträgt der Freibetrag bei Kindern für Schenkungen und Erbschaften 400.000 Euro, bei Ehegatten 500.000 Euro. Diese Freibeträge stehen für Schenkungen und Erbschaften innerhalb von 10 Jahren nur einmal zur Verfügung. Obwohl die Begünstigung von Betriebsvermögen mit dem Erhalt sowie der Sicherung von Arbeitsplätzen begründet wird, ist sie immer wieder Thema von Diskussionen bezüglich der Ungleichbehandlung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer.

Worum geht es bei dem aktuellen Verfahren?

Der Beschwerdeführer bei dem anhängigen Verfahren ist Erbe seiner 2018 verstorbenen Tante; zum Nachlass gehörte ausschließlich Privatvermögen (unter anderem Wertpapierdepot, Miteigentum an einer Wohnung), das der Erbschaftsteuer unterworfen wurde.

Der Beschwerdeführer rügt insbesondere:

  • Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, weil Privatvermögen im Erbfall wesentlich höher besteuert werde als Betriebsvermögen. 
  • Hieraus folge die Verfassungswidrigkeit des gesamten Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, insbesondere der Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen. 
  • Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit und Transparenz wegen »Hyperkomplexität« des Gesetzes; auch dies solle zur Nichtigkeit des gesamten Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes führen.
  • Formelle Verfassungswidrigkeit: Der Gesetzgebungsprozess sei fehlerhaft, da die Bundestagsabgeordneten über die verfassungsrechtlichen Probleme nicht hinreichend informiert worden seien.
  • Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip, weil umfangreiches nicht produktives Vermögen steuerfrei gestellt würde.

Wie war der bisherige Verfahrensverlauf? Vorinstanzen waren das Finanzgericht Münster  und der Bundesfinanzhof (. Beide Gerichte haben die geltend gemachten Verfassungsverstöße verneint.

Auswirkungen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Sollte das Bundesverfassungsgericht das derzeitige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig halten, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Gericht dem Gesetzgeber unter Anordnung eines Übergangszeitraums Gelegenheit zur Neuregelung gibt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die Neuregelung in diesem Fall rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Entscheidung für anwendbar erklärt. Fraglich ist, ob eine Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes tatsächlich durch Einschränkung der Begünstigungen für Betriebsvermögen oder durch eine Anhebung der Freibeträge für Privatvermögen erreicht werden soll.

Sie planen gerade die Übergabe Ihres Betriebsvermögens? Was nun?!

Neben dem genannten Verfahren ist auch ein sogenanntes abstraktes Normenkontrollverfahren anhängig, das die Bayerische Staatsregierung beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet hat. Ziel des Antrags ist eine verfassungsrechtliche Überprüfung, um den Weg für eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge, eine Senkung der Steuersätze sowie eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer zu ebnen. Das Bundesverfassungsgericht könnte auch dieses Verfahren zum Anlass nehmen, um über die Begünstigung für Betriebsvermögen zu entscheiden.

Aufgrund der anhängigen Verfahren beim Bundesverfassungsgericht besteht das Risiko, dass die umfangreichen Begünstigungen für Betriebsvermögen durch eine gesetzliche Neuregelung eingeschränkt werden. Daher sollten Unternehmer, welche eine Übergabe ihres Betriebsvermögens anstreben, zeitnah handeln, um noch vor dem Ergehen einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht die derzeit geltenden Begünstigungen zu nutzen. Neben den steuerlichen Auswirkungen, sollten bei einer Unternehmensübergabe aber immer auch betriebswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Aspekte einbezogen werden.

Quelle: 1 BvR 804/22; Urteil vom 6.5.2021 – 3 K 3532/19 Erb; Beschluss vom 17.1.2022 – II B 49/21; Normenkontrollverfahren Az. 1 BvF 1/23