Unternehmenssteuerung – Meine Kennzahlen fest im Blick

Warenbeschaffung: Wann lohnt sich Direktbezug?

Der Direktbezug spielt neben dem Großhandelseinkauf für die Warenbeschaffung der Apotheken eine bedeutende Rolle. Pharmazeutische Hersteller gewähren hier oft attraktive Konditionen. Doch nicht immer lohnt das Geschäft.

15. August 2022
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Statistiken zeigen, dass rund 10 bis 20 Prozent des Einkaufsvolumens direkt vom Hersteller bezogen werden. Die Gründe dafür, diesen Vertriebsweg zu wählen, sind vielschichtig (siehe Tabelle). Zum einen gibt es Artikel, die nur über den Hersteller zu bekommen sind. Zum anderen sind für viele Apotheken die angebotenen Konditionen eine wesentliche Motivation für den Direktbezug. Auch die Unterstützung beim Marketing, Proben und Zugaben spielen nach Aussagen unserer Mandanten eine nicht unerhebliche Rolle.

Große Mengen sorgen für Aufwand

Zu diesen Argumenten kommen allerdings Nachteile hinzu, die die Vorteilhaftigkeit in Frage stellen. Ein Dilemma des Direktbezuges entstammt einem eigentlich logischen, betriebswirtschaftlichen Kalkül: Um die guten Konditionen auszunutzen, wird Ware auf Vorrat gekauft. Diese zunächst einmal sinnvolle Optimierung sorgt aber für Effizienzverluste in anderen Bereichen. Insbesondere ist hier der höhere Arbeitsaufwand zu nennen. Das Ein- und Umräumen der mengenmäßig größeren Bestellungen zieht einen im Vergleich zum Großhandel höheren Aufwand nach sich. Dies gilt umso mehr, wenn der eigentliche Lagerplatz nicht mehr ausreicht und es zur Übervorratsbildung kommt. Außerdem sind Apotheken heutzutage an Umsatz- und Mengenziele beim Großhandel gebunden. Je mehr Ware direkt bestellt wird, umso eher werden diese nicht erreicht.

Allerdings schließt sich noch ein weiterer Nachteil an: Ware am Lager bindet Kapital, das somit für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung steht. Die Kapitalkosten steigen, der Lager­umschlag sinkt. Je länger Ware am Lager liegt, umso höher ist das Risiko der Unverkäuflichkeit oder des Verfalls. Fehlt die Nachfrage für ein Produkt, so ist es besonders ärgerlich, dass Rückgaben bei einigen Herstellern nur im Tausch gegen neue Ware möglich ist.

Warenbeschaffung: Wie viel mehr Vorteil ist nötig?

Alle diese Mehrkosten müssen durch höhere Vorteile kompensiert werden. Interessant ist daher die Frage: »Um wie viel Prozentpunkte muss der Rabatt des Herstellers den Großhandelsvorteil übersteigen, damit der zusätzliche Aufwand kompensiert wird?« Nehmen wir als Beispiel eine Direktbestellung über 500 Euro. Angenommen, die Mitarbeiter der Apotheke müssen 40 Minuten zusätzliche Arbeit investieren, so fallen bei einem durchschnittlichen Stundensatz inklusive Arbeitgeberabgaben Personalkosten von etwa 10 Euro an. Außerdem kalkulieren wir beispielhaft 3,0 Prozent vom Einkaufspreis als »Puffer« für Kapitalbindung und Lagerrisiko hinzu. Dann würde diese Bestellung 25 Euro Aufwand verursachen, der Einkaufsvorteil des Direktherstellers müsste mindestens 5,0 Prozentpunkte über dem des Großhandels liegen, damit sich die Bestellung lohnt. Ein solcher Rabattunterschied wird nicht in allen Fällen zu erreichen sein. Besonders bei Angeboten und in Kooperationen erreichen Apotheken beim Großhandel Konditionen, bei denen diese Schwelle nicht erreicht wird. Im verschreibungspflichtigen Bereich existiert zudem eine gesetzliche Grenze der Vorteilsgewährung, die die möglichen Rabattdifferenzen einschränkt.

Unser Experten-Tipp: Liste mit lohnenden Lieferanten erstellen

In der Praxis wird es nicht praktikabel sein, bei jeder Lieferung mit dem spitzen Bleistift Umsätze, Vorteile und Kosten gegeneinander abzuwägen. Erstellen Sie daher eine Liste mit Lieferanten, die für Sie als Direktlieferanten in Frage kommen.

Folgende Fragen helfen Ihnen bei der Bewertung:

  • Beträgt der Unterschied im Einkaufsvorteil zum Großhandel mehrere Prozentpunkte?
  • Liegen die Bestellwerte mindestens im mittleren oder höheren dreistelligen Euro-Bereich?
  • Sind Ihnen persönlich Zusatzleistungen wie Marketingunterstützung oder Proben wichtig und bietet der Lieferant hier Unterstützung?