Guido Michels
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Der Mitarbeiter, der mehr Geld fordert. Der Lieferant, der neue Konditionen durchsetzen will. Der Kunde, der über den Preis verhandeln möchte. Verhandlungssituationen kommen im Berufsleben ständig vor. In allen Fällen geht es darum, einen Interessensausgleich zwischen den Bedürfnissen aller Parteien mit Hilfe von Kommunikation und Strategie zu erreichen.
Wenn es um Verhandlungen geht, hört man oft folgende Aussagen: »Ich bin kein guter Verhandler. Das kann man nicht lernen!« und »Bei Verhandlungen gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer.« Beides ist grundfalsch. Verhandlungsführung ist erlernbar. Es gibt Regeln, mit denen die Vorbereitung und die Gesprächsführung erfolgreich gestaltet werden kann und die Sicherheit bringen. Und: Eine gut geführte Verhandlung kann ergeben, dass die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden. Hier ist kein »fauler« Kompromiss gemeint, sondern eine Win-win-Situation, von der beide profitieren.
Vorbereitung ist alles
Eine Vorbereitung auf die Gesprächssituation legt den Grundstein für den späteren Erfolg. Es gilt, die eigenen Interessen zu reflektieren und Ziele zu definieren. In welcher Verhandlungsposition befinde ich mich? Was will ich erreichen? Was wäre ein Minimal-/Maximalergebnis? Welche Schmerzgrenze darf nicht überschritten werden? Welche Zugeständnisse kann ich eingehen? Auch sollten im Vorfeld Fakten und Argumente gesammelt werden, die die eigene Position unterstützen. Doch nicht nur die eigene Person sollte im Fokus stehen. Genau so wichtig ist es, sich die gleichen Fragen über den Verhandlungspartner zu stellen. Auch dieser hat Ziele, Grenzen und gute Argumente. Wer diese kennt, kann zielgerichtet vorgehen.
Nicht gleich in die Lösung einsteigen
Die besten Gespräche finden in einem angenehmen Klima statt. Das beginnt bereits bei der Auswahl der geeigneten Räumlichkeiten, der Bewirtung, dem pünktlichen Beginn. Mit Small Talk wird zu Beginn die Atmosphäre gelockert und eine Brücke zum Gegenüber aufgebaut. Zur Orientierung ist es für beide Seiten hilfreich, eine Tagesordnung der zu besprechenden Punkte und den Zeitbedarf festzulegen. Hat man sich gut vorbereitet, fällt nun der Einstieg in die eigentliche Verhandlung leicht. Sowohl die eigenen Argumente als auch die Gegenargumente sind bereits zurechtgelegt. Dennoch gilt es, flexibel zu bleiben! Nicht jede Situation in Verhandlungen kann vorher antizipiert werden.
Ein häufiger Fehler ist, sich gleich zu Beginn auf die Lösungsfindung zu stürzen, ohne dass sich beide Seiten über die Ziele, Argumente und Interessen ausgetauscht haben. Doch gerade dies ist essentiell als Brücke zur Lösung. Es kostet zwar Zeit, sorgt aber für ein erfolgreiches Ergebnis. Wichtig ist, dass man auch in längeren Unterredungen konzentriert bleibt. Durch interessierten Gesichtsausdruck und offene Körperhaltung wird Aufmerksamkeit und Vertrauen signalisiert. Durch kluge Fragen und »aktives« Zuhören erfährt man wichtige Details vom Gegenüber. Je mehr Informationen man von dem Verhandlungspartner bekommt, umso besser kann die eigene Argumentationslinie angepasst werden. Erfahrene Verhandler erzählen auch über sich selbst, von den eigenen Absichten und Zielen und stellen so Vertrauen und Orientierung her.
Wege aus der Sackgasse
An vielen Stellen können Verhandlungen stocken, weil eine Seite Einwände oder Bedenken hat. Falsch ist es, dies als Hindernis zu sehen. Einwände können als positive Signale gewertet werden, denn sie signalisieren, dass der Partner an einer Lösung interessiert ist. Man selbst konnte aber noch nicht die Argumente liefern, die für den anderen wichtig sind. Es gilt der Grundsatz: Wenn jemand sagt, was ihm nicht passt, sagt er gleichzeitig auch was ihm passt.
Ein Fehler wäre, bei Einwänden oder kritischen Fragen auf Konfrontation zu gehen, sich zu rechtfertigen oder sofort Zugeständnisse anzubieten. Stattdessen sollte man sich bemühen, die Differenz offenzulegen und aufzulösen. Beispiele für Argumentationstechniken zeigt Abbildung 1.
Psychologische Tricks erkennen
Nicht jeder Partner spielt fair. Manche versuchen, die Gegenseite psychologisch unter Druck zu setzen. Es gibt verschiedene Tricks in der Gesprächsführung, auf die man reagieren muss.
Warnung als letztes Mittel
Ein guter Ansatz für Verhandlungen ist der »Wie-du-mir-so-ich-dir«-Stil. Man gibt dem anderen zunächst einen Vertrauensvorschuss, erwartet dafür allerdings ein gleiches Verhalten. Bemerkt man, dass der Verhandlungspartner mit unfairen Tricks agiert, muss gehandelt werden. Es ist unmöglich, mit einer eigenen fairen Verhandlungsführung bei unfairem Verhalten der anderen Seite eine kooperative Lösung zu erreichen. Ein »Schuss vor den Bug« ist in dieser Situation nötig. Aber Achtung: Eine falsch angewandte Warnung kann eine ganze Verhandlung zerstören. Sie sollte immer als das letzte Mittel eingesetzt werden und niemals zu Beginn der Verhandlung. Allerdings muss man die Warnung auch in die Tat umsetzen können. Mit leeren Drohungen macht man sich lächerlich. Bemerkt man, dass die Gegenseite ihr Verhalten ändert und sich wieder kooperativ verhält, kehrt man ebenfalls wieder in die positive Grundhaltung zurück.
Der Weg zur Lösung
Der Weg zu einem Win-win-Verhandlungsergebnis führt über eine Kenntnis der Interessen des Gegenübers, nicht über die Positionen. Hat man diese Interessen im Laufe des Dialogs erkannt und herausgearbeitet, findet man eine Lösung auch bei scheinbar unvereinbaren Positionen. Ein Beispiel: Zwei Kinder streiten sich abends, ob das Licht im Zimmer an oder aus gemacht werden soll. Die Eltern kommen dazu und fragen: »Warum soll denn das Licht an oder aus sein?« Sagt das eine »Es ist zu hell. Ich will schlafen.«, das andere »Ich will noch lesen und brauche Licht.« Die Eltern schalten die große Deckenleuchte aus und eine kleine Leselampe am Bett an. Die Geschichte veranschaulicht eine Situation, in der zunächst unvereinbare Positionen im Raum stehen (Licht an oder aus). Erst als man sich über die zugrunde liegenden Interessen klar wurde, konnte eine Lösung gefunden werden.
Diesen Interessenausgleich gilt es, auch in der Verhandlung zu finden. Gelingt keine Lösung, so kann es besser sein, die Verhandlungen abzubrechen, anstatt einen Kompromiss zu suchen. Wohl dem, der vorher Minimalziele und Grenzen definiert hat. Denn beim Kompromiss geben beide Seiten Ziele und Interessen auf, um ein Ergebnis zu erzielen. Oft lässt sich eine Verhandlung auch retten, indem man einen Gesamtkomplex in mehrere Punkte aufteilt. In diesem Fall kann man das strittige Thema ausklammern und sich auf die Teilergebnisse verständigen, bei denen man einig ist. Besprochenes ist auf jeden Fall schriftlich festzuhalten.
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