Unternehmenssteuerung – Meine Kennzahlen fest im Blick

Sind Filialen noch ein Erfolgsmodell für Apotheken?

Die Zahl der Filialapotheken nimmt ab. Wer dennoch Filialen übernehmen will, muss die Rentabilität stärker im Blick haben. Fest steht: man wird zum Manager, der Synergieeffekte, Organisation und Mitarbeiterführung unter einen Hut bringen muss. Wir geben Ihnen Tipps, wie Sie diese Situation meistern.

10. Mai 2024
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Der Betrieb einer oder mehrerer Filialen sollte immer eine bewusste, strategische Entscheidung sein. In der Vergangenheit wurden manche Filialen blauäugig übernommen und so mancher wirtschaftlich kaum rentabler Betrieb wechselte den Besitzer. Heute stellen wir fest, dass die Erwartungen an Filialen heute viel höher sind als früher: Die Rendite muss stimmen, Konkurrenz soll abgewehrt und die eigene Marktposition gestärkt werden, man will positive Synergie- und Ertragseffekte generieren. Aber Vorsicht: Forcieren Sie keine Filialgründung um ihrer selbst willen oder unter Druck! Wer sich mit einem Betrieb ausgelastet fühlt, sollte sich gut überlegen, ob und wie er die zusätzlichen Aufgaben managen kann

Zahl der Filialen seit zwei Jahren rückläufig

Ende 2023 gab es laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) 4.621 Apothekenfilialen, mehr als jede vierte Apotheke ist damit im Teil eines Verbunds. Seit der Zulassung im Jahr 2004 stieg die Zahl der Filialen lange Jahre kontinuierlich an. Inzwischen stößt der Filialboom jedoch an Grenzen. In den letzten Jahren ist zunächst die absolute Zahl der Filialgründungen und -übernahmen zurückgegangen. Lag das Wachstum vor elf Jahren noch bei über fünf Prozent, schwächte es sich bis 2021 auf zwei Prozent ab. Inzwischen hat sich der Trend komplett umgekehrt: Eine Marksättigung ist eingetreten, die Zahl der Filialbetriebe sinkt seit 2022.

Filialen zwischen wirtschaftlichem Erfolg und prekärer Lage

Die Treuhand Hannover stellte in einer aktuellen Analyse fest, dass sich die wirtschaftlichen Daten von Filialen im Jahr 2023 in vier wichtigen Punkten von denen einer Einzelapotheke unterscheiden: 

  1. Die durchschnittliche Filiale hatte rund 5,5 Prozent weniger Kunden und erwirtschaftete rund vier Prozent weniger Umsatz als eine Einzelapotheke. Dies liegt daran, dass die wirtschaftlich erfolgreicheren Standorte meist als Hauptapotheke gewählt werden. 
  2. Die Filialen erzielten einen um 0,6 Prozentpunkte höheren Rohgewinn als die Einzelapotheke, vermutlich aufgrund der besseren Verhandlungsposition beim Einkauf.
  3. Die Personalkosten der Filialen waren aufgrund des angestellten Filialleiters um mehr als zwei Prozentpunkte höher.
  4. Filialverbünde profitierten von Synergieeffekten bei beeinflussbaren Ausgaben wie Werbung, Kraftfahrzeug, Versicherungen und Beiträgen in Form geringerer Kosten. 

Das Betriebsergebnis vor Steuern der Filialapotheken lag 2023 bei 2,9 Prozent des Umsatzes, während die Einzelapotheke über vier Prozent erzielte. Das bedeutete für die durchschnittliche Filiale einen Gewinn vor Steuern von 92.500 Euro. Da dieser Betrag zusätzlich zum Ergebnis der Hauptapotheke erwirtschaftet wird, stellt sich die Frage, warum trotz solch positiver Zahlen immer mehr Filialen schließen? Der Grund wird deutlich, wenn man sich die Ertragsverteilung der Filialbetriebe anschaut. Etwa 20 Prozent schreiben Verluste, weitere 18 Prozent erreichen nicht einmal die Hälfte des durchschnittlichen Gewinns. Hochgerechnet wären das 1.750 Filialbetriebe in Deutschland, die sich in einer wirtschaftlich prekären Lage befinden. 

Es gibt jedoch auch die andere Seite: Rund ein Drittel aller Filialen erzielt das gleiche oder sogar ein höheres Betriebsergebnis als eine Einzelapotheke! Das zeigt zweierlei. Erstens ist der wirtschaftliche Erfolg von Filialen unternehmerisch gestaltbar. Und zweitens kann sich ein erfolgreicher Filialverbund hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Basis, Marktmacht und Wettbewerbsstellung deutlich von der Einzelapotheke absetzen.

Die »richtige« Filiale finden

Immer wieder kommen verkaufswillige Inhaber und neue Standorte auf den Markt. Wer Augen und Ohren offenhält, stößt schnell auf Angebote zur Übernahme oder Neugründung einer Filiale. Doch dann fängt die eigentliche Arbeit erst an. Man muss kritisch prüfen, ob die Standortfaktoren günstig sind und ob entscheidende Änderungen für die Zukunft anstehen. Dazu gehören zum Beispiel das Einzugsgebiet und die Anzahl der Wettbewerber, aber auch Alter und Zustand des Geschäftsraumes, Frequenzbringer, Verkehrsanbindung, Lage, Anzahl und Alter der Ärzte, deren Fachrichtungen und Verschreibungsgewohnheiten sowie der Stand der Digitalisierung im Betrieb. Bei bestehenden Apotheken kommt der Blick auf die Unternehmenszahlen der vergangenen Zeit hinzu: Mit den Bilanzen der letzten drei Jahre und zusätzlichen Werten aus Rezeptabrechnung und EDV lässt sich eine gute Einschätzung des Status quo vornehmen. 
 

Berechnungen für die Zukunft anstellen

Eine Rentabilitäts- und Verfügungsbetragsberechnung zeigt dann, ob sich die Übernahme lohnt. Sie ist auch für anstehende Bankgespräche ein zentrales Instrument. In der Rentabilitätsberechnung werden die Erkenntnisse aus der Standort- und Kennzahlenanalyse zusammengeführt, um eine Einschätzung für die Zukunft vorzunehmen. Für Umsatz, Wareneinsatz und Kosten muss geklärt werden, ob sich die Positionen im üblichen Rahmen bewegen und welche Werte für die Zukunft realistisch erscheinen. Die Treuhand Hannover unterstützt Sie dabei. Ist zum Zeitpunkt der Planung beispielsweise bekannt, dass Arztpraxen verlegt werden oder eine konkurrierende Apotheke schließt, müssen diese Auswirkungen bei der Planung des Umsatzes berücksichtigt werden. Bei Filialen müssen insbesondere die zukünftigen Personalkosten unter Berücksichtigung der Filialleitervergütung neu kalkuliert werden. Auch Investitionen und Zinsen sind kostenerhöhend, mögliche Synergieeffekte aufwandsmindernd in die Kalkulation einzubeziehen. Letztlich zeigt die Berechnung, ob die Apotheke auch als Filiale noch rentabel betrieben werden kann. 

Verfügungsbetrag ist der Maßstab

Der Gewinn einer Filiale wird dem Inhaber zusätzlich zum Ergebnis der Hauptapotheke zugerechnet. Daraus errechnet der Steuerberater den Verfügungsbetrag – das monatliche »Nettoeinkommen« des Selbstständigen. Auf den Gewinnbeitrag der Filiale muss zwar auch Einkommensteuer gezahlt werden, aber die Aufwendungen zum Beispiel für das Versorgungswerk oder die Krankenversicherung erhöhen sich nicht weiter. Entscheidend ist aber, dass dem auch die Tilgungen der Darlehen gegenübergestellt werden. Eine rentabel geführte Filiale verbreitert also nur dann die Einkommensbasis des Inhabers, wenn nach Steuern, Vorsorge und Tilgung im Verbund mehr Geld zur Verfügung steht als vorher.

Mehr Managementqualitäten erforderlich

In jedem Fall muss der Inhaber des Filialverbundes seine Managementqualitäten ausbauen. Pharmazeutisches Wissen und der Kundenkontakt treten in den Hintergrund, stattdessen muss mehr organisiert und geführt werden. Neue Strukturen, in denen Verantwortung und Aufgaben delegiert werden, helfen gegen Überforderung. Sinnvoll ist es zum Beispiel, Filialverbünde in Verantwortungsbereiche zu gliedern, Fachteams zu bilden und Teamleiter zu ernennen. Dies ist für viele Inhaber eine große Umstellung, die mit Unterstützung professioneller Berater oder Coaches bewältigt werden kann.

Um jederzeit über die wirtschaftliche Situation der einzelnen Apotheken informiert zu sein, erhalten Mandanten der Treuhand Hannover für jede Apotheke einen Internen Betriebsvergleich (IBV), so dass die Entwicklung jedes einzelnen Betriebs nachvollzogen werden kann. Der Externe Betriebsvergleich (EBV) stellt zudem die Daten vergleichbarer Filialverbünde dem eigenen gegenüber. 

Dreh- und Angelpunkt: der Filialleiter

Einer der zentralen Erfolgsfaktoren ist die Auswahl eines unternehmerisch denkenden und motivierten Filialleiters. Angesichts eines spürbaren Mangels an Bewerbern ist dies für manche Filialen bereits zum Ausschlusskriterium geworden. Glücklich ist, wer einen Filialleiter aus dem eigenen oder dem übernommenen Personal der »neuen« Apotheke rekrutieren kann. Bei der Entlohnung sind häufig übertarifliche Zahlungen anzutreffen, teilweise auch Bonussysteme, die den Filialleiter am ökonomischen Ergebnis beteiligen.

Ist der Filialleiter gefunden, müssen Aufgaben, Kompetenzen und Erwartungen geklärt werden. Die Ergebnisse sollten in einem Anhang zum Arbeitsvertrag schriftlich fixiert werden. Ein hohes Maß an Selbständigkeit und Verantwortung erfordert einen besonders qualifizierten und zuverlässigen Filialleiter. Dies entlastet den Chef am meisten, eignet sich aber nicht für alle Aufgaben und Funktionen. Daher kommt oft die Variante zum Tragen, dass der Filialleiter eingeschränkt entscheiden darf. Sei es, dass er bestimmte Entscheidungen nur nach Rücksprache treffen darf oder dass die Entscheidungen eine gewisse Tragweite nicht übersteigen dürfen (zum Beispiel Geldbeträge bei Investitionen). Besonders sensible Aufgaben muss der Inhaber selber übernehmen. Dies betrifft zum Beispiel Personalfragen wie die Einstellung von neuen Mitarbeitern oder das Aussprechen arbeitsrechtlicher Maßnahmen.

Synergieeffekte ja/nein?

Die Apothekenbetriebsordnung macht für Filialen die gleichen Vorschriften wie für Einzelapotheken. Hinsichtlich der Grundausstattung einer Filiale sind also keine Synergien zu erzielen. Dennoch gibt es einige Ansätze, Aufgaben zusammenzulegen und gemeinschaftlich Einsparungen zu erzielen. Basis für Synergieeffekte in der Warenwirtschaft ist ein einheitliches EDV-System. Dieses schafft Transparenz über Lagerbestände, Abverkaufs- und Bestelldaten. Außerdem ist eine klare Einkaufsstrategie wichtig: Wer bestellt was, wie viel, wie oft, bei wem? Durch den gemeinsamen Einkauf für den Apothekenverbund ergeben sich meist bessere Einkaufsvorteile. Der schnelle Austausch von Medikamenten bei Defekten oder ein gemeinsamer Botendienst innerhalb des Verbundes funktioniert bei nahe beieinander liegenden Betrieben. 

Die Möglichkeit des Personalaustauschs kann einen weiteren Synergieeffekt darstellen, erfordert aber eine sorgfältige (oft digital unterstützte) Dienstplanung und einen funktionierenden Informationsaustausch. Gleichzeitig sollten Arbeitsprozesse wie Qualitätsmanagement, Kasse oder IKS standardisiert werden, damit die Abläufe in jedem Betrieb identisch sind. Auch zwischenmenschliche Herausforderungen sind zu meistern, wenn Teams neu zusammengebracht werden sollen. Hier helfen Teamabende, Mitarbeiterbefragungen oder Coachings in Konfliktsituationen. Im Marketing steht die Entscheidung an, ob alle Filialen ein einheitliches Gesicht bekommen oder ihre Eigenständigkeit behalten. Je weniger die Kommunikation individualisiert werden muss, desto eher lassen sich Kosten sparen, wenn Aufgaben wie Aktionsplanung, Flyer- oder Schaufenstergestaltung nur einmal für alle Apotheken anfallen oder die Stückkosten für Zugaben, Flyer oder Zeitschriften bei höheren Auflagen sinken. 
 

Filiale als Chance zur Expansion

Die Entscheidung für oder gegen den Betrieb mehrerer Apotheken kann nur individuell und gut überlegt getroffen werden. Interessante Objekte sind rar – Beharrlichkeit, Geduld und ein gutes Netzwerk helfen bei der Suche. Die Treuhand Hannover begleitet von der Standortwahl über die gesamte betriebswirtschaftliche Bewertung und Rentabilitätsprüfung bis hin zur Finanzierung und Kaufabwicklung inklusive Begleitung bei Bankgesprächen und natürlich der steuerlichen Gestaltung – idealerweise durch sämtliche Lebensphasen der Filialapotheke. Wichtig für den Erfolg sind eine klare Strategie, gute Führungs- und Delegationsfähigkeiten des Inhabers, ein tragfähiger Umsatz und Rohgewinn sowie ein motivierter Filialleiter mit sozialer Kompetenz. Allen Anstrengungen zum Trotz ist die Filialisierung nach wie vor eine der wenigen Expansionsmöglichkeiten für Apotheken.